Beta-Impressionen von RHEL 7

Red Hat Enterprise Linux wird nächstes Jahr 7. Jetzt gibt es die erste öffentliche Betaversion. Zeit also für einen kurzen Blick auf den zukünftigen Linux-Enterprise-Standard.

RHEL 7 räumt auf mit vielen alten Zöpfen. Manche Änderungen sind überraschend, andere irritierend:

  • Installationsprogramm: RHEL 7 hat das neue Installationsprogramm von Fedora übernommen. Für die wenig verwöhnten Fedora-Benutzer (gehöre selbst dazu) sind die Tücken dieses Programms durchaus beherrschbar. Aber als Default für RHEL? Dafür erscheint es mir noch zu früh, zumal sich an den vollkommen unübersichtlichen Partitionierungsfunktionen auch in der RHEL-Beta nichts geändert haben.

  • Dateisystem XFS: ext4 hat als Standarddateisystem ausgedient, nun kommt XFS zum Zug. Dass Red Hat sich nicht für das unfertige btrfs entschieden hat, ist nachvollziehbar. Aber bietet XFS wirklich so viele Vorteile gegenüber ext4, um einen Wechsel des Default-Dateisystems zu rechtfertigen? Das Hauptargument scheint zu sein, dass XFS auch bei Dateisystemen mit mehr als 16 TByte robust läuft. ext4 unterstützt zwar theoretisch ebenfalls nahezu unbegrenzt große Dateisysteme (bis ca. 1.000.000 TByte), aber sowohl das ext-HOWTO als auch der RHEL-6-Tuning-Guide warnen davor, ext4-Dateisysteme mit mehr als 16 TByte einzusetzen. Selbst hatte ich noch nie mit derart großen Dateisystemen zu tun, kann also aus praktischer Erfahrung nicht viel dazu sagen.

Gnome 3, aber im Classic-Modus: Eine Gratwanderung war sicherlich die Festlegung der Desktop-Umgebung. Gnome 2 war ausgeschlossen, weil es nicht mehr gewartet wird. Und Gnome 3 unterscheidet sich in der Bedienung bekanntlich stark von Gnome 2. Dennoch: Ist Gnome 3 wirklich so schwierig zu bedienen, dass es für einen typischen RHEL-Systemadministrator unzumutbar ist? Oder wollte man darauf Rücksicht nehmen, dass RHEL häufig in virtuellen Maschinen zum Einsatz kommt? Aber auch in diesem Fall bietet der Classic-Modus eigentlich kaum nennenswerte Vorteile gegenüber der Gnome-Shell. Wie auch immer, der Klassikmodus versüßt den Gnome-3-Verweigerungen den Umstieg. Und wer die »echte« Gnome-Shell wünscht, muss nur beim Anmelden auf das Zahnrad klicken und Gnome statt Gnome Classic auswählen — installiert wird die Gnome-Shell nämlich standardmäßig!

64-Bit-only: Wer installiert heute noch ein Enterprise-System auf einem 32-Bit-System? (Fast) keiner! Dass RHEL7 nur noch 64-Bit-Systeme unterstützt, wird somit kaum jemanden stören, und Red Hat erspart sich sicher eine Menge Arbeit und Doppelgleisigkeit bei der Wartung.

Von Init-V über Upstart nach Systemd: Erwartungsgemäß hat Red Hat das ehemals von Canonical übernommene Upstart-System eliminiert und durch Systemd ersetzt. Wer mit Fedora vertraut ist, dem wird der Wechsel von RHEL 6 auf RHEL 7 leicht fallen.

MariaDB statt MySQL: Oracle wird sich definitiv nicht freuen! Anstelle von MySQL setzt RHEL7 auf das freiere MariaDB 5.5. Und anders als Fedora oder openSUSE gibt es dabei keinen Plan B: Es stehen keine alternativen MySQL-Pakete zur Verfügung. Wer MySQL und nicht MariaDB haben will, muss es von der Oracle-Website oder aus alternativen Paketquellen beziehen. Es ist abzusehen, dass sich viele Administratoren für den bequemeren Weg entscheiden und bei MariaDB bleiben, zumal dieses in Version 5.5 praktisch vollständig kompatibel zu MySQL ist.

Firewall: Das in Fedora seit einem Jahr bekannte FirewallD-System kommt nun auch unter RHEL zum Einsatz. Die Administration von Firewall-Regeln ändert sich damit grundlegend!

Gnome 3 im Classic Mode
Gnome 3 im Classic Mode

Versionen

Die folgende Liste fasst einige Versionsnummern zusammen. Natürlich kann sich da noch etwas ändern, bis RHEL7 fertiggestellt wird.

Basis                Desktop                Server
-----------------    --------------------   ---------------
Kernel    3.10       Gnome        3.8       Apache   2.4
gcc       4.8        KDE          4.10      MariaDB  5.5
glibc     2.17       Firefox      24        OpenSSH  6.6
X-Server  1.15       Gimp         2.8       PHP      5.4
GRUB      2.0        LibreOffice  4.1       Samba    4.1
Systemd   207                                      

Apache hat den Sprung auf Version 2.4 geschafft, auch Samba liegt in der aktuellen Version 4.1 vor. Überraschenderweise bleibt PHP bei Version 5.4 stehen.

Alles in allem waren die ersten Eindrücke von RHEL 7 durchaus zufriedenstellend. Nun warte ich gespannt auf CentOS 7. Gut möglich, dass CentOS für mich damit zur Lieblings-Distribution für Langzeit-Installationen wird, sowohl für den Desktop- als auch für den Server-Einsatz … Ubuntu ade, also?

Tipps und Tricks

Standardmäßig wird wie bisher nur ein Minimalsystem installiert. Wenn Sie RHEL samt Desktop-Umgebung ausprobieren möchten, müssen Sie bei der Installation die Software-Auswahl ändern.

Nachträgliche Paketinstallationen sind vorerst unmöglich. Wenn Sie Software nachinstallieren möchten, ohne dem Red Hat Network beizutreten, setzen Sie mit einem Editor in /etc/yum.repos.d/rhel-beta.repo für die erste Paketquellen enabled=1. Updates gibt es aber offensichtlich nur für RHN-Mitglieder.