Vor mehr als 21 Jahren kontaktierte mich der damalige Addison-Wesley-Verlag und sprach mit mir über ein Linux-Anwenderhandbuch. Ich fand die Idee inhaltlich reizvoll, aber ich sah keine Marktchancen. Linux war damals etwas für Freaks. Die brauchten kein benutzerfreundliches Handbuch, und gewöhnliche Anwender — also die Zielgruppe des Buchs — gäbe es keine. Dachte ich. Und erteilte Addison-Wesley eine Abfuhr.
Aber Addison-Wesley blieb hartnäckig. Die dortigen Lektoren wussten, dass ich schon lange mit Linux arbeitete, meine Bücher (damals vor allem im Visual-Basic-Umfeld) waren erfolgreich, kurzum: Es blieb beim Wunsch, dass ich ein Linux-Buch schreiben sollte. Und weil ich nun mal gern schreibe, und weil mir Linux damals schon viel Spaß machte, ließ ich mich schließlich überreden. Immer noch in der Meinung, dass ich nun zwar für Monate eine spannende Arbeit hätte, damit aber nicht viel Geld verdienen würde.
So kann man sich irren … Die erste Auflage meines Linux-Buchs mit aus heutiger Sicht bescheidenen 560 Seiten erschien im Februar 1995 und verkaufte sich von Anfang an prächtig.
Gerade einmal ein Jahr später folgte die zweite Auflage, danach Übersetzungen in mehrere Sprachen, noch mehr Auflagen, Sonderausgaben etc. Das Linux-Buch entwickelte sich zu meinem erfolgreichsten Buch, zu meinem Markenzeichen.
Warum Linux?
Heute hat jeder mit Linux zu tun — aber nicht jeder weiß es :-) Auf jedem Android-Handy läuft ein Linux-Kernel, jede Google-Anfrage wird von Linux-Servern beantwortet, jeder Amazon-Einkauf von Linux-Rechner verarbeitet, jede Dropbox-Datei ist Teil der von Linux dominierten Cloud.
Meine eigene Linux-Zeitrechnung begann 1993, noch bevor es Kernel 1.0 gab. Der Grund, weswegen ich damals auf einem PC Linux installierte, waren Arbeiten für ein anderes Buch. Ich verfasste gerade ein Maple-Handbuch. (Maple ist ein Computer-Algebrasystem.) Um das Buch zusammen mit unzähligen mathematischen Formeln ordentlich zu setzen, brauchte ich LaTeX. Und der einfachste Weg, ein vollständiges LaTeX-System aufzusetzen bestand daran, Linux einzusetzen.
Meine erste Linux-Distribution war Unifix Linux. Die norddeutsche Firma Unifix war bis 1997 ein Vertreter des blühenden Linux-Markts in Deutschland. Die Besonderheit der Distribution bestand darin, dass Linux weitestgehend von einer CD ausgeführt wurde. Nur die Teile der Distribution, die wirklich benötigt wurden, wurden auf die damals kleine Festplatte übertragen …
Berührungsängste zu Linux hatte ich keine: Im Rahmen meines Studiums hatte ich schon mehrfach mit UNIX-Systemen zu tun gehabt. Linux war in vielerlei Hinsicht ähnlich, vor allem aber moderner, besser anpassbar und viel preisgünstiger.
Mein Maple-Buch war das erste Buch, das ich selbst vollständig unter Linux schrieb und setzte: Editor Emacs, Satzsystem LaTeX, PS-Viewer Ghostscript. Das Buch war insofern ein Probedurchgang für das Linux-Buch, das ich ebenfalls von der ersten bis zur 14. Auflage im Editor Emacs verfasst und mit LaTeX gesetzt habe.
Von der ersten zur 14. Auflage
Unifix half mir beim Linux-Einstieg. Die Grundlage für die erste Auflage meines Linux-Buchs war aber die Distribution Slackware, die man damals wahlweise als Sammlung von Disketten (!) oder als CD kaufen konnten. Später folgten SUSE, Red Hat, Debian.
Den ersten elf Auflagen meiner Linux-Bücher lagen CDs bzw. später DVDs bei. Das Internet, das sich erst allmählich entwickelte, war noch langsam. Der Download einer Linux-Distribution war für Privatanwender zu langsam bzw. zu teuer. Die beigelegten CDs/DVDs waren insofern ein echter Bonus. Die beigelegten Distributionen sind gewissermaßen ein Streifzug durch die Linux-Geschichte:
- 1. Auflage (1995): Slackware 2.1 mit Kernel 1.1.86
- 4. Auflage (1999): SuSE 6.1 Evaluations-Version inkl. KDE 1.1 und Netscape Communicator
- 7. Auflage (2004): SUSE Linux 10.0 OSS und Knoppix 4.0
- 10. Auflage (2010): Ubuntu 10.10, openSUSE 11.3
2013 kam dann die Hiobsbotschaft des Addison-Wesley-Eigentümers Pearson Education: Addison-Wesley sollte schnellstmöglich abgewickelt werden. Der Verlag, für den ich 20 Jahre lang geschrieben hatte, gab es nicht mehr.
Was sich damals als Katastrophe darstellte, bewerte ich aus heutiger Sicht als Glücksfall: Nach nur kurzem Verhandeln entschied ich mich, mit meinem Linux-Buch zum Galileo-Verlag zu wechseln. Den schönen Verlagsnamen musste Galileo wenig später aufgeben, aber auch der Rheinwerk-Verlag zeichnet sich durch eine Agilität aus, die dem Addison-Wesley-Verlag zuletzt abhanden gekommen ist.
Die aktuelle Auflage
Seit wenigen Tagen ist nun die vierzehnte Auflage meines Linux-Buchs lieferbar: Vollständig aktualisiert stellt sie auf 1400 Seiten das Linux der Gegenwart mit seinen wichtigsten Distributionen und Werkzeugen dar. Details zum Buch sowie eine umfassende Leseprobe finden Sie hier.
PS: Ebenfalls fast fertig ist die Neuauflage der Linux-Kommandoreferenz (Erscheinungstermin Ende Januar 2016). Auch hierzu ein kleiner geschichtlicher Ausflug: Die Kommandoreferenz war von der 3. bis zur 9. Auflage als Kapitel im großen Linux-Buchs integriert. Aus Platzgründen haben wir uns 2010 zu einer Trennung zwischen dem Hauptbuch und der Kommandoreferenz entschieden. Diese hat mittlerweile ebenfalls einen Umfang von beinahe 500 Seiten erreicht …
Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! Als relativer Linux-Neuling (seit 2012) habe ich mir bislang online weitergeholfen und freue mich jetzt auf dieses tolle Buch als Weihnachtsgeschenk :-)