Natürlich ist es mir nicht entgangen, dass Fedora 24 schon seit fast zwei Wochen verfügbar ist. Aber ich bin erst jetzt dazu gekommen, zumindest einen kurzen Blick auf die Distribution zu werfen.
Vielleicht lag meine mangelnde Motivation auch daran, dass es — zumindest aus Desktop-Sicht — wenig relevante Neuerungen gab. Das haben anscheinend auch die Fedora-Entwickler so gesehen: Sie haben sich gar nicht erst die Mühe gemacht, Release Notes zusammenzustellen. Marketing-mäßig suboptimal, wenn ich das mal so sagen darf …
Rein optisch sieht Fedora 24 nahezu identisch wie Fedora 23 aus — wenn man einmal vom geänderten Desktop-Hintergrund absieht. Eric Griffith von phoronix.com ist außerdem aufgefallen, dass die Fonts unter Gnome nun besser lesbar sind und einheitlicher aussehen.
Man kann Fedora 24 auch dadurch charakterisieren, was nicht passiert ist:
- Der Display-Server Wayland wird noch immer nicht per default verwendet, auch wenn er mittlerweile gut funktioniert. Aber vielleicht in Fedora 25.
- btrfs ist noch immer nicht das Default-Dateisystem. In diesem Fall ist sogar die Diskussion verstummt, ob dies für das nächste Release angedacht ist. (Das soll keine Kritik sein. Persönlich bin ich mit ext4 vollkommen zufrieden.)
- Das Installationsprogramm ist GUI-technisch wieder nicht verbessert worden. Quasi die ganze Software-Welt platziert den OK-Button rechts unten, nur in Anaconda ist er rechts oben. Absurd …
Dafür brilliert Fedora wie üblich durch eine top-aktuelle Software-Auswahl. Für die folgende Tabelle gilt wie immer der Hinweis, dass sich die Versionen wichtiger Programme wie Firefox und Thunderbird durch Updates regelmäßig ändern. Bei Fedora gilt dies — abweichend von vielen anderen Distributionen — auch für den Kernel!
Basis Desktop Programmierung Server
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Kernel 4.5 Gnome 3.20 bash 4.3 Apache 2.4
glibc 2.23 Firefox 47 gcc 6.1 CUPS 2.1
X-Server 1.18 Gimp 2.8 Java 8 MariaDB 10.1
GRUB 2.02 LibreOffice 5.1 PHP 5.6 OpenSSH 7.2
Systemd 229 Thunderbird 45 Python 3.5 qemu/KVM 2.6
Postfix 3.1
Samba 4.4
Verblüffend ist eigentlich nur die PHP-Version: Fedora bleibt bei PHP 5.6, während Ubuntu 16.04 schon PHP 7 verwendet. Wenn Sie dennoch unkompliziert PHP-7-Pakete unter Fedora (oder CentOS) installieren möchten, besuchen Sie die Webseite remirepo.net! Wenn Ihnen inoffizielle Pakete nicht behagen, müssen Sie auf Fedora 25 warten. Der Umstieg auf PHP 7 ist für diese Version bereits beschlossene Sache.
Update von Fedora 23 auf Fedora 24
Fedora 23 soll demnächst im Gnome-Programm »Software« ein grafisches Update auf Fedora 24 anbieten (mehr Details). Wie das aussehen soll, ist im fedoramagazine.org dokumentiert. Bei meinen Tests unter Fedora 23 wurde mir bisher freilich kein Update angeboten, obwohl der entsprechende Bug-Report seit einer Weile den Status fixed zeigt. Zumindest in einer virtuellen Maschine hätte ich dieses Feature gerne ausprobiert, auch wenn ich generell kein großer Freund solcher Updates bin.
Pakete — Der nächste »Linux-Krieg« zeichnet sich ab
Vor zwei Monaten hat Canonical mit großem Enthusiasmus »Snap-Pakete« zuerst als neues Feature für Ubuntu und dann als neues distributionsübergreifendes Format zur Installation von Paketen angepriesen. Das war sicherlich ein geschickter Marketing-Schachzug, der aber nicht verschleiern kann, dass Snap-Pakete durchaus noch nicht ausgereift sind und sich die Begeisterung anderer Distributionen für das neue Paket-Format bisher in engen Grenzen hält.
Fakt bleibt, dass es eine tolle Sache wäre, wenn es distributionsübergreifende Pakete für Programme wie Firefox, LibreOffice oder Gimp gäbe. Momentan ist es ja so, dass der Wunsch nach einer neuen LibreOffice- oder Gimp-Version ohne die komplette Neuinstallation der jeweiligen Distribution schwer zu erfüllen ist.
Gewissermaßen als Antwort auf Ubuntus Snap-Pakete enthält Fedora 24 das Framework für das alternative Flatpak-Format, das bis vor kurzem noch Xdg-app hieß. Auch Flatpak bietet neben dem herkömmlichen Paketsystem die Möglichkeit, lokal Software zu installieren und sicher auszuführen.
Flatpak ist unter Fedora nicht standardmäßig installiert. Abhilfe schafft dnf install flatpak
. Von nun an steht Ihnen das gleichnamige Kommando zur Verfügung, um Flatpaks zu installieren, zu verwalten und zu aktualisieren. Grafische Werkzeuge gibt es noch keine. Anders als bei Snap sind momentan auch keine zentralen Flatpak-Repositories vorgesehen. Wenn Sie ein Flatpak installieren möchten, müssen Sie sich zuerst die entsprechende Datei herunterladen. Alle weiteren Schritte sind dann im Terminal zu erledigen. Das passt gut zur Fedora-Zielgruppe, zeigt aber, dass es bis zu einer allgemeinen Nutzertauglichkeit noch ein weiter Weg ist.
Um Flatpak auszuprobieren, habe ich versucht, LibreOffice 5.2 zu installieren (siehe auch die Links am Ende des Artikels). Die erforderlichen Kommandos sehen so aus:
wget http://download.documentfoundation.org/libreoffice/flatpak/5.2.0/LibreOffice.flatpak
wget https://sdk.gnome.org/keys/gnome-sdk.gpg
flatpak remote-add --user --gpg-import=gnome-sdk.gpg gnome https://sdk.gnome.org/repo/
flatpak install --user gnome org.gnome.Platform 3.20
flatpak install --user gnome org.gnome.Platform.Locale 3.20
flatpak install LibreOffice.flatpak
flatpak run org.libreoffice.LibreOffice
Das LibreOffice-Paket, eine Testversion von LibreOffice 5.2, setzt die Gnome-3.20-Plattform voraus. Wunderbar, werden Sie denken, die ist ja in Fedora 24 schon dabei. Das hilft aber nichts, absurderweise muss Gnome 3.20 ein zweites Mal als Flatpak installiert werden, bevor die LibreOffice-Installation tatsächlich gestartet werden kann.
Mehrere meiner flatpak install
-Kommandos endeten mit einem Segmentation fault, aber mit einigen Wiederholungen ließ sich alles installieren und LibreOffice ließ sich schließlich auch starten. (Ausführlich getestet habe ich das Programm nicht.)
Flatpaks werden in das Verzeichnis .local/share/flatpak
installiert. Der Platzbedarf für den LibreOffice-Test beträgt stattliche 1,7 GByte! Der Platz verteilt sich etwa halb/halb auf LibreOffice und das Gnome-Duplikat. Vor nicht allzu langer Zeit reichte das für eine ganze Linux-Distribution aus, aber: Was kostet die Welt? (Speicher kostet offensichtlich zu wenig, um diesen Irrwitz zu bremsen.)
Fazit: Ich sehe das Problem, das Snap und Flatpak lösen wollen, aber ich glaube nicht, dass die Lösung schon da ist. Beide Konzepte überzeugen mich in der gegenwärtigen Implementierung nicht. Was noch nicht ist, kann natürlich noch werden, und bis dahin lässt sich trefflich streiten, welches der beiden Systeme besser (oder schlechter) ist. Auf technischer Ebene kann ich da zur Zeit nicht mitreden, weil ich mich mit den Interna und den Sicherheits- und Sandbox-Systemen noch nicht auseinandergesetzt habe.
Update 7.7.2016: Noch ein Anwärter auf den Titel »Neues universelles Paketformat« ist AppImage — danke auch an Ingolf Schäfer für den Hinweis in den Kommentaren. Einen kurzen Test finden Sie auf distrowatch.com.
Ausführlichere Tests und Links
- Fedora Changeset (ein unleserlicher Ersatz für die Release Notes)
- Test bei heise.de
- Test von derstandard.at
- Test auf lwn.net
- Kurztest von golem.de
- Kurze Infos auf pro-linux.de
- Kurztest von distrowatch.com
- Fedora-Seite auf distrowatch.com
- Kurztest auf phoronix.com
- Benchmark-Vergleich zwischen Fedora 24, Ubuntu 16.04, Debian Testing, Clear Linux etc., ebenfalls auf phoronix.com
Snap-Pakete versus Flatpak
Snap (Ubuntu)
- Universal Snap Packages (Marketing)
- Snap-Infos auf ubuntu.com
- snapcraft.io, eine Info- und Werbeseite für Snap-Pakete
- Vorstellung von Snap-Paketen auf kofler.info
Flatpak (Fedora, Debian, Gnome)
- flatpak.org, eine Info- und Werbeseite für Flatpak-Pakete
- Flatpak und Gnome
- Blog von Alexander Larsson mit vielen Infos zu Xdg-apps (jetzt Flatpak)
- LibreOffice als Flatpak
- Flatpak-Test als Blog auf whatofhow.wordpress.com
- Flatpak-Test als Blog auf thelinuxrain.com
AppImage
Pro und Kontra
Mir erschließt sich nicht ganz, warum es „absurd“ sein sollte, dass man für eine flatpak-Anwendung alle ihre Abhängigkeiten installieren muss.
Das ist ja gerade der „Sinn“ dahinter, genau wie bei Snap: Egal was schon vorhanden ist, das Programm bringt alles, was es braucht, selbst mit oder lädt es nach.
Daher sehe ich in beiden Formaten einen platz- und Wartung sächsischen Alptraum.
wartungsächsischen, ich liebe Autokorrektur. Und beim nächsten Versuch zu „wartungstechnischen“ ergibt es „war unter dänischen“ ;-)
Ich kann zum Thema Distributions übergreifende Pakete nur empfehlen einen Blick auf AppImage zu werfen. Das funktioniert nämlich tatsächlich und stabil.