Die Zukunft von Ubuntu

Gestern hat Mark Shuttleworth angekündigt: Ubuntu 18.04 wird ohne Unity und mit Gnome als Basis erscheinen. Das Ubuntu Phone und das Convergence-Modell ist tot, die Zukunft für Ubuntu befindet sich auf dem Server, in der Cloud und in Cloud-Services. Dieser Paukenschlag kam überraschend, und er lässt viele Fragen offen.

Canonical hat auf dem Desktop mit Ubuntu eine Marke aufgebaut, die in Linux-Einsteigerkreisen beinahe so dominant ist wie Red Hat bei Unternehmenskunden. Unzählige Leute in meinem Bekanntenkreis verwenden »Ubuntu« und »Linux« synonym. Freilich: Red Hat verdient viel Geld, Canonical nicht. (Konkrete Zahlen sind nicht bekannt, aber klar ist, dass die Einnahmen Canonicals kaum aus dem Desktop-Segment stammen.)

Dass Ubuntu mit seinen Phone-Ambitionen scheitern würde, war schon vor Jahren absehbar. Es ist mit diesem Scheitern in guter Gesellschaft: Auch Microsoft mit unendlich mehr Kapital und einer riesigen Marktpräsenz war nicht nennenswert erfolgreicher.

Mit der Aufgabe der Konvergenz-Idee (das Ubuntu-Phone sollte gleichzeitig auch als Ersatz für Desktop-Rechner dienen und für beide Anwendungsfälle eine durchgängige Oberfläche aufweisen) sind diverse Eigenentwicklungen von Canonical hinfällig: Unity 8 wurde gestern abgesagt, MIR offensichtlich auch. Schon in der Vergangenheit hatte Canonical wenig Erfolg damit, eigene Ideen abseits des Linux-Mainstreams durchzusetzen (Upstart, Ubuntu One, Web-Apps, ein eigenes Ubuntu-Software-Center etc.).

Ubuntu für Server und Cloud

Ungemein erfolgreich war Ubuntu zuletzt im Server- und speziell im Cloud-Segment. Hier lautet die Devise offensichtlich: Weiter wie bisher, nur mit noch mehr Energie. Hier lockt nicht nur der vergangene Erfolg, hier lässt sich auch Geld verdienen.

Ubuntu für den Desktop

Die große Frage ist: Was passiert mit dem Desktop? Bei aller Kritik an den oft ei­gen­bröt­le­rischen Ideen von Canonical/Ubuntu muss klar sein, dass der Ubuntu-Desktop eine wesentliche Bereicherung des Linux-Universums war und noch immer ist.

Wird Canonical also Geld, Zeit und andere Ressourcen investieren, um für Ubuntu 18.04 eine ansprechende Desktop-Umgebung auf Gnome-Basis, aber im klassischen Ubuntu-Look zu entwickeln? (Technisch wäre das sicher kein Problem.) Wird es für die Desktop-Version von Ubuntu weiterhin einen fünfjährigen Long Time Support geben? Wird man sich womöglich auf die Devise »It just works.« zurückbesinnen, die Ubuntu vor Jahren auf dem Desktop so erfolgreich gemacht hat?

Wird sich die Rückkehr in den Linux-Mainstream als Erfolgsrezept erweisen, oder wird der Ubuntu-Desktop (und damit wohl leider auch der Linux-Desktop in seiner Gesamtheit) endgültig in die Bedeutungslosigkeit verschwinden, in eine kleine Nische für Freaks, Admins und Entwickler?

PS: Dieser Artikel wurde auch auf pro-linux.de veröffentlicht und dort sehr hitzig diskutiert.

5 Gedanken zu „Die Zukunft von Ubuntu“

  1. Ubuntu ist noch immer die Grundlage für viele Distributionen. Was wird in Zukunft damit passieren?
    Ich verwende mittlerweile aufgrund der Stabilität LinuxMint KDE in der Fotobranche und Grafik.
    Dies ist ebenfalls auf Ubuntu aufgesetzt.
    Ich wünsche mir das Canonical weiterhin den Desktop pflegt und wir noch viel Spaß damit haben werden.
    Hallo Coanonical, fahrt bitte nicht alles an die Wand. Die Linuxwelt braucht Euch, auch im Desktop-Bereich.
    Danke bisher an das Ubuntu-Team.

    1. Linux Mint baut aber nicht auf Unity sondern Cinnamon oder Mate auf. Das ist schon heute die populärere Distribution. Ich benutze Ubuntu trotz und nicht wegen Unity. Es wird sich nichts ändern. Die, die gern Linux auf dem Desktop haben, die haben es schon und werden es behalten- die anderen bleiben bei den proprietären Systemen. Vielleicht entwickelt ja jemand auch das Unity weiter.

      1. Ich denke persönlich ist es für die meisten die Ubuntu und Unity verwenden wollen eine optische Sache.
        Ich mag Ubuntu Gnome bzw. Mate, aber solange es meine Hauptbefehle und *.deb files und apt unterstützt, ist mir das eigentlich egal^^. Natürlich ist Ubuntu bekannter als andere Distributionen, zumindest bei den Leuten die sich nicht mit Linux beschäftigen^^.

  2. Hallo Herr Kofler,

    vor ein paar Wochen war ich auf der Suche nach einer Distribution, die auf Enterprise-Niveau und debian-basiert (apt-get) einen KDE-Desktop anbietet. Dabei wollte ich ausdrücklich keine (sic!) Distribution, die den KDE-Desktop als „Spin“ z.B. durch eine Community anbietet. Ich bin nicht fündig geworden. Habe ich nicht richtig gesucht? Warum gibt es (scheinbar) keine (große) Firma (wie z.B. RedHat, Canonical, …), die KDE zu ihrem Hauptdesktop erklärt hat? Die einzigen Distribution, die meinen Ansprüchen gerecht hätte werden können, wäre Suse gewesen. Die nutzt jedoch eine eigene Paketverwaltung, mit der ich nicht klarkomme. LinuxMint KDE ist mir zu „wackelig“, da das LinuxMint-Ökosystem kein Unternehmen im Rücken hat, sondern eher den Charakter einer Community-Distribution hat. Ist der KDE-Desktop lizenztechnisch zu problematisch (zB wegen QT)? Warum wechselt Canonical auf Gnome 3?

    mfg
    Andreas

  3. Mich wundert das Ubuntu Phone-Desaster überhaupt nicht, ich hatte es geahnt. Herr Kofler offenbar ja auch.
    Und ich bin mir mittlerweile sehr sicher, dass das Scheitern von Unbuntu Phone und Convergence vorsätzlich war. Denn eigentlich lief Convergence auf Ubuntu Phone schon grundsätzlich, wurde aber mit jedem Update immer „kaputter“, ebenso erging es der fundamentalen Smartphone-Funktionalität des OS, bis am Ende ein elektronischer Briefbeschwerer übrigblieb.
    Bin ich eigentlich der einzige, der sich wunderte, warum in Ubuntu Studio 8 bei Logon ein drehender Donut in Orange statt in Blau (wie damals bei nur bei Vista) angezeigt wurde? Oder dass MS mit Windows Convergence nun umsetzt?
    http://www.omgubuntu.co.uk/2016/03/microsoft-windows-convergence-patent-phonepad
    Es wäre nicht der erste Fall, in welchem Microsoft fremde oder OpenSource-Ideen samt Quellcode geklaut hätte (siehe DOS, oder spez. OS2 und Windows NT). Bei allem, was wichtig ist, arbeite ich seit jeher mit Debian und LXDE (von mir aus auch gnome oder xfce), wer nun unbedingt Ubuntu-Architektur will, kann sich auf Lubuntu stützen, oder auf Kubuntu (auch hier gab es gute Gründe dafür, dass Tönnies sich mit Canonical überworfen hatte), oder aber auf LinuxMint.
    Für meinen Teil würde es mir locker reichen, wenn auf meinen MX4 ein stinknormales Debian mit LXDE auf der entsprechenden Prozessorarchitektur liefe und einige Phone-/Tab-Funktionen implementiert wären, also Telefon-„App“, Zoom-Funktion, zuschaltbare GPS-Einbindung usw.

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