In ca. sechs Wochen wird Ubuntu 16.04 fertig werden. Dieser Artikel wirft einen ersten Blick auf die wichtigsten Neuerungen.
(Update 16.3.2016: Ubuntu 16.04 enthält doch PHP-7-Pakete.)
(Update 19.3.2016: Ubuntu 16.04 verwendet Systemd und Journal. Das Dock am unteren Bildschirmrand ist fix. apt
wird als neues Kommando zur Paketinstallation vorgeschlagen.)
(Update 5.4.2016: Web-Apps sind tot, Bildlaufleisten, Unity Tweak Tool)
(Update 7.4.2016: gcc doch in Version 5.3)
(Update 19.4.2016: glibc in Version 2.23, MySQL in Version 5.7!, Postfix Version 3.1!)
Kein binärer AMD-Grafiktreiber mehr (fglrx)
Für AMD-Grafikkarten gibt es in Ubuntu 16.04 nur noch die Open-Source-Treiber radeon/amdgpu. In der Vergangenheit war es problemlos möglich, alternativ dazu den proprietären Treiber von AMD zu installieren. Diese Möglichkeit besteht nun nicht mehr. Den proprietären NVIDIA-Treiber wird Ubuntu hingegen weiterhin zur Verfügung stellen.
Integration des Dateisystems zfs
Ubuntu 16.04 soll standardmäßig das Dateisystem zfs
integrieren. Dieses Dateisystem wurde ursprünglich von Sun für das Betriebssystem Solaris entwickelt. Es untersteht zwar wie der Linux-Kernel einer Open-Source-Lizenz. Die Lizenzen von Linux und zfs sind aber nicht kompatibel zueinander. Die Integration von zfs
in den Linux-Kernel ist deswegen rechtlich umstritten.
Für Desktop-Anwender ist zfs
nicht übermäßig interessant, aber für den Server-, Virtualisierungs- und Docker-Einsatz genießt zfs
den Ruf als das beste verfügbare Unix-Dateisystem. btrfs
bietet ähnliche Funktionen, ist aber nicht im gleichen Maß ausgereift.
Init- und Logging-System
Ubuntu verwendet als Init-System nun Systemd, als Logging-System Journal. Die Steuerungskommandos lauten systemctl
und journalctl
. Für Desktop-Anwender ergeben sich daraus keine Änderungen, wohl aber für Administratoren.
Kein Python 2 per Default
Die Desktop-Version von Ubuntu 16.04 soll standardmäßig nur noch Python 3 enthalten. Python-2-Pakete stehen weiterhin zur Verfügung, und zwar in der main-Paketquelle (LTS!).
Schlechtere Samba-Integration
Das außerordentlich praktische Paket libpam-smbpass
steht nicht mehr zur Verfügung. Es hat sich in der Vergangenheit darum gekümmert, Linux- und Samba-Passwörter zu synchronisieren und hat beim unkomplizierten Einrichten eigener Samba-Shares geholfen. Das zugrundeliegende PAM-Modul wird vom Samba-Projekt aber nicht mehr unterstützt.
Wieder einmal: eine alte Nautilus-Version
Ubuntu 16.04 wird natürlich die meisten Software-Komponenten aktualisieren — vom Kernel über Unity bis zu LibreOffice. Eine Ausnahme ist wieder einmal der Gnome-Dateimanager Nautilus, der in der uralten Version 3.14 enthalten sein wird. (Aktuell wäre ab April 2016 die Version 3.20.)
Keine Werbung mehr im Startmenü
Eindeutig erfreulich ist die Entscheidung der Ubuntu-Entwickler, auf die unsägliche Einblendung von Werbung im Startmenü (»Online-Suchergebnisse«) standardmäßig zu verzichten.
Dock am unteren Bildschirmrand
Das Dock war bisher auf den linken Bildschirmrand fixiert. In Ubuntu 16.04 kann es nun auch an den unteren Bildschirmrand verschoben werden. (Persönlich war ich immer der Meinung, dass die Anordnung links vernünftig ist. Aber mehr Wahlmöglichkeit kann nicht schaden.)
Der entsprechende Unity-Patch ist seit 19.3. offiziell verfügbar. Die Konfiguration muss allerdings noch per Kommando erfolgen:
gsettings set com.canonical.Unity.Launcher launcher-position Bottom
Rückgängig mit:
gsettings set com.canonical.Unity.Launcher launcher-position Left
Eine Anordnung am rechten Rand ist momentan nicht vorgesehen.
Keine Spur von MIR und Unity 8
Die seit Jahren angekündigte Umstellung des Grafiksystems auf MIR und des Desktops auf Unity 8 wird auch in Ubuntu 16.04 nicht stattfinden. Zum Trost für alle Fans von MIR kann gesagt werden, dass auch Fedora den Umstieg auf das Grafiksystem Wayland einmal mehr verschoben hat.
Wer Unity 8 und MIR ausprobieren will, kann die erforderlichen (aber noch nicht stabilen) Pakete wie folgt installieren:
sudo apt-get install unity8-desktop-session-mir
Beim Login können Sie nun die Unity8-Mir-Session auswählen. Glücklich werden Sie damit nicht werden — es funktioniert praktisch nichts. Unity 8 hat in dieser Form nicht einmal die Qualität einer Alpha-Version.
Gnome Software ersetzt das Ubuntu Software Center
Eine andere Eigenentwicklung von Ubuntu wird offensichtlich eingestellt. Das Ubuntu Software Center soll zugunsten des Programms »Gnome Software« eliminiert werden. Gnome Software ist aus meiner Sicht freilich auch kein Lichtblick, aber wer schon ein bißchen Linux-Erfahrung hat, kann ja weiterhin apt-get install xy
im Terminal ausführen.
apt als Alternative zu apt-get
Schon bisher hatten Sie bei der Installation und Verwaltung von Paketen auf Kommandoebene die Wahl zwischen apt-get
und aptitude
. Dazu kommt nun mit apt
ein drittes Kommando hinzu. Wenn Sie ein nicht existierendes Kommando auszuführen versuchen, rät Ubuntu nun dazu, dieses mit apt
zu installieren.
emacs
Das Programm »emacs« ist in folgenden Paketen enthalten:
* emacs24
* emacs24-nox
* e3
* emacs24-lucid
* jove
Versuchen Sie: apt install <ausgewähltes Paket>
Die Syntax von apt
ist ähnlich wie die von apt-get
und aptitude
, nennenswerte Vorteile sind mir nicht aufgefallen.
Web-Apps
Wie ich in meiner Vorstellung von Ubuntu 15.10 schon geschrieben haben, werden Web-Apps offensichtlich nicht mehr gepflegt. Standardmäßig ist nur noch die Amazon-App installiert und im Dock präsent (wahrscheinlich aufgrund eines Werbevertrags).
Scrollbalken
Bereits seit Ubuntu 15.10 werden Scrollbalken nicht länger durch eine Eigenentwicklung dargestellt, sondern durch normale Gnome-Bibliotheken. Sie sind jetzt nicht mehr ganz so schlank, dafür einfacher zu bedienen. (Das lustige Spiel »Fang den Scroll-Balken« ist zu Ende …)
Unity Tweak Tool
Der Unity Tweak Tool steht weiterhin zur Verfügung und hilft bei der Einstellung diverser Optionen, die in den Systemeinstellungen fehlen. Allerdings fällt auf, dass das Programm offensichtlich (noch) nicht für Ubuntu 16.04 optimiert ist und diverse Optionen enthält, die nicht mehr relevant bzw. ganz einfach wirkungslos sind. Das normalerweise freyja-PPA enthält leider noch keine Pakete für Ubuntu 16.04.
Software-Versionen
Auch wenn sich die eine oder andere Version sicher noch ändern wird, hier schon mal ein Überblick über die Software-Versionen, die in den Testversionen von Ubuntu 16.04 aktuell (Mitte März 2016) zum Einsatz kommen:
Basis Desktop Programmierung Server
-------------- ------------------ -------------- --------------
Kernel 4.4 Gnome 3.18 bash 4.3 Apache 2.4
glibc 2.23 Firefox 45 gcc 5.3 CUPS 2.1
X-Server 1.18 Gimp 2.8 Java 7/8 MySQL 5.7
GRUB 2.02 LibreOffice 5.1 PHP 7 OpenSSH 7.2
Systemd 229 Thunderbird 38 Python 3.5 qemu/KVM 2.5
Unity 7.4 Postfix 3.1
Samba 4.3
Einzelne Gnome-Programme werden in älteren, manche in neueren Versionen ausgeliefert, z.B.:
- gnome-calendar: 3.20
- gnome-font-viewer: 3.16
- gnome-software: 3.20
- nautilus: 3.14
MySQL 5.7 wäre natürlich schön gewesen, aber da war/ist das Timing wohl zu knapp. MySQL wurde quasi in letzter Sekunde auf Version 5.7 aktualisiert! MariaDB-Pakete in der Version 10.0 gibt es nur in der universe-Paketquelle (also ohne LTS-Wartungsgarantien).
PHP-Pakete liegen in der main-Paketquelle sowohl in Version 5.6 als auch in Version 7 vor. tasksel install lamp
installiert aber automatisch PHP 7.
Dennoch das beste Desktop-Linux?
Die aktuelle Zusammenstellung der Neuerungen lässt keine grenzenlose Begeisterung aufkommen. Echte Innovationen für den Linux-Desktop sehen anders aus. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass Ubuntu auch in Version 16.04 das beste Desktop-Linux bleiben wird. Die Vorzüge von Ubuntu 16.04 sind dieselben wie die von Version 14.04: Ubuntu läuft stabil und ist einfach zu bedienen — was will man also mehr?
Die Alleinstellung von Ubuntu als »die« Desktop-Linux-Distribution hat freilich auch mit einem immer eklatanteren Mangel an Alternativen zu tun: openSUSE und Fedora sind zu instabil/experimentell, Debian ist nach wie vor nur bedingt einsteigertauglich. Mein Tipp für Ubuntu-Verweigerer bleibt CentOS, auch wenn man dort Abstriche bei der Aktualität der Software-Pakete machen muss. Plan B wäre Linux Mint, aber riesige Vorteile im Vergleich zu Ubuntu habe ich da (in Gegensatz zu anderen Linux-Fans) nie wirklich erkennen können. Den größten Nachteil von Mint sehe ich in der Abhängigkeit von einem winzigen Entwickler-Team.
Quellen
- Release Notes
- ZFS for Containers auf blog.dustinkirkland.com
- ZFS-Lizenzprobleme laut heise.de
- ZFS-Lizenzprobleme laut theRegister
- ZFS-Lizenzprobleme laut lwn.net
- pam_smbpass removed auf lists.samba.org
- Alte Nautilus-Version laut omgubuntu
- Alte Nautilus-Version laut launchpad.net
- Dock am unteren Bildschirmrand laut Entwickler-Blog
- Ubuntu ‘Spyware’ Disabled laut omgubuntu
- Gnome Software statt Ubuntus Eigenlösung in derstandard.at
- Getting Excited about Ubuntu 16.04 auf linux.com
- Beschreibung von apt auf debian-handbuch.info
- Vorstellung von apt im Blog von Michael Vogt
Im Punkto Stabilität, Benutzerfreundlichkeit und Sicherheit kann Mageia mit Ubuntu durchaus mithalten. Ich bin seit einigen Jahren von Ubuntu dorthin umgestiegen. Der meines Erachtens einzige Nachteil: Es hat ein sehr viel geringeres Software-Repository und manch ein Paket, dass man direkt für Ubuntu findet, gibt es nicht für Mageia.
So jetzt muss ich noch meinen Senf dazugeben:
ich bin erst kürzlich vom KDE Desktop auf Unity umgestiegen, da KDE im moment alles andere als glücklich macht unter Ubuntu. Ich danchte ich geb Unity eine chance bevor ich mir eine andere Distri ansehe.
Generell kann ich sagen, dass ein paar sachen nicht begeistern, aber ich das meiste irgendwie hinkriegte, oder damit leben kann. Die Fenster Buttons links statt rechts ist zB überhaupt kein Problem (verstehe nicht wieso dies seinerzeit so für wirbel sorgte). Einige Sachen finde ich sogar sehr gut.
Es bleiben 2 Dinge, wovon 1 evtl behebbar ist.
und jetzt das mit der Taskleiste: die hatte ich (ursprünglich sogar von Unity inspiriert) am rechten Bildschirm rand. Ich hab den „Main Bildschirm“ rechts, und den sekundären links. und ich will die taskleiste auf dem Hauptbildschirm. Also macht der rechte Bildschirmrand sinn. Der Linke ist dafür doof. Aber das geht leider nicht. Warum verstehe ich nicht, und Ubuntus begründung ist dabei schwach. Geht nicht weil wir wollen nicht ist eine besch* begründung. Unten will ich die Taskleiste auch nicht mehr, und einen hack um das hinzukriegen will ich vermeiden.
Es ist erstaunlich, aber eine solche kleinigkeit, und ich überlege die Distri zu wechseln…. finde ich wirklich schade
btw: hab auch ubuntu auf dem handy, und bin da eigentlich sehr zufrieden. muss noch ein bisschen reifen, aber vieles wurde da richtig gut überdacht und aus „fehlern“ von anderen gelern.
sorry, musste jetzt einfach mal den frust ablassen.
während ich gut finde, dass ubuntu teilweise eigene wege geht so finde ich es frustrierend wenn ich bevormundet werde, wo es in meinen augen völlig unnötig ist!
Hallo, Danke für den Beitrag. Du klingt aber nicht wirklich zufrieden mit der neuen Version.
Ich meine, Ubuntu hat seine Stellung als DIE Linux Distribution schon verloren. Ich selbst nutze seit 12.10 keinen Ubuntu mehr (habe mit 8.4 angefangen), da mir weder das Aussehen, noch Unity, noch dass Verhalten gefallen haben. Auch wurden einige Funktionen, gerade im Dateimanager beschnitten.
Ich bin mit Linux Mint seit 2 Jahren sehr zufrieden.
Ich sehe einige Vorteile:
Etwas von Nachteil ist die kleine Entwicklergemeinde schon, so musste ich auch schon mit Fehlern zurecht kommen, welche entstanden sind da nicht alle Optionen breitgefächert getestet wurden. Hier gibt es jedoch ein gutes deutschsprachiges Hilfeportal linuxmintusers.de
Ich hoffe und glaube Linux Mint wir die nächsten Jahre noch einen guten Zuwachs an Nutzern, Helfern und Entwicklern erfahren. Schon jetzt kenne ich mehr Leute die Linux Mint nutzen als Ubuntu, dass war vor 1,5 Jahren noch anders.
Ich glaube das „Bestes Linux für den Desktop“ ist ein Ding, das muss jeder für sich entscheiden. Meine persönliche Entscheidung (d.h. es betrifft nur mich selber) heißt: Slackware Linux.
Der Verzicht auf einen „gut meinenden“ Pakete-Manager, ist für mich DAS Auswahl-Kriterium. Dazu muss ich sagen, gute 99% meiner benötigter Software werden von Slackware abgedeckt. Damit ist es mir prinzipiell egal, das Slackware von Haus aus sehr wenig Software bietet. Was mir fehlt kompiliere ich mir mit SlackBuilds dazu, in einer von mir gewünschten Version und fertig ist Sache. Der Rest wird von Slackware aktuell gehalten.
Ich bin kein Linux-Profi. Genauer gesagt, unter Slackware Linux kann ich mit SlackBuilds meine Programme kompilieren, falls erwünscht. Ansonsten kann ich ein wenig in der Konsole navigieren, meine benötigten Dienste mit Hilfe der Anleitungen konfigurieren und KDE nutzen. Ansonsten keine großen Linux-Erfahrungen. Mir gefällt es meine eigenen Entscheidungen treffen zu dürfen und genau da ist für mich der Pakete-Manager eher störend. Ich muss mir keine Distros, Pakete, PPAs, Repositories, Web, nach für mich kompatiblen Programmen suchen. Ich kompiliere es mir selber.
Das ist keine Werbung für Slackware. Eher so eine Werbung für, findet raus was euch gefällt und entscheidet danach.
Zur Distributionswahl bleibt nur zu sagen: Ein Leben ohne pacman ist möglich, aber sinnlos. ;)
Schön wärs – Ich habe es ausprobiert und bin unterm Strich daran gescheitert, dass hplip sich zwar installieren lässt, das erforderliche Plugin für den Drucker jedoch nicht… Und was nutzt einem das beste System, wenn die Hardware nicht nutzbar ist?
Ubuntu 16.04 funktioniert zwar schon passabel, aber Sie dürfen natürlich nicht vergessen, dass die Distribution trotz allem noch Beta-Status hat. Release ist erst in einem Monat.
Hallo Michael,
Seit heute ist in den Proposed-Quellen von Ubuntu 16.04 eine Unity-Version mit dem Patch für die Dash-Leiste am unteren Bildschirmrand enthalten. Der „Hack“ ist damit wohl offiziell.