Diese Woche wurde vollkommen überraschend der Raspberry Pi 4 vorgestellt. Mittlerweile hatte ich Gelegenheit, erste Tests durchzuführen (1-GByte-Modell).
Updates: Siehe die Überschrift »Updates« am Ende des Beitrags.
Eckdaten
Kurz zusammengefasst die Eckdaten:
- Neues System-on-a-Chip (SOC) BCM2711 auf Cortex-A72-Basis (4 Cores, 1,5 GHz)
- RAM: DDR4, Auswahl zwischen drei Modellen mit 1 GByte / 2 GByte / 4 GByte
- Grafik: zwei 4k-HDMI-Ausgänge (allerdings mit Micro-HDMI-Buchsen, entweder 1x4k@60Hz oder 2x4k@30Hz)
- USB: 2 x USB 3.0 plus 2 x USB 2.0
- Ethernet: direkter Controller, echtes GBit-Ethernet
- WLAN: 2.4 GHz and 5.0 GHz IEEE 802.11ac
- Bluetooth: Version 5, BLE
- GPIOs, Kamera- und Display-Anschluss: weitgehend unverändert und angeblich kompatibel
- Datenträger: weiterhin nur SD-Karte (eine externe Festplatte/SSD kann über USB 3 angeschlossen werden)
- Stromversorgung: jetzt über USB-C-Buchse, Leistungsaufnahme im Wesentlichen wie bisher, empfohlen wird ein 15-Watt-Netzteil
- Raspbian: aktualisiert, basiert nun auf Debian 10 (Buster)
Der Preis für das 1-GByte-Modell ist unverändert im Vergleich zum 3B+, die Modelle mit 2 und 4 GByte sind um ca. 10 bzw. 20 EUR teurer. Aktuell gibt es allerdings je nach Modell Lieferschwierigkeiten.
Die Raspberry Pi Foundation empfiehlt, ein Netzteil mit 15 W zu verwenden. Netzteile bis 12,5 sind auch OK, sofern der Strombedarf der angeschlossenen USB-Geräte in Summe weniger als 500mA (2,5 W) beträgt.
Inbetriebnahme
Erste Tests erfordern in der Regel neue Kabel oder Adapter. Statt den Minicomputer wie bisher mit einem normalen HDMI-Anschluss auszustatten, sind es nun zwei Micro-HDMI-Buchsen. Die Chance, dass Sie ein geeignetes Kabel oder einem Adapter im Keller finden, ist verschwindend … Ganz klar ist mir ehrlich gesagt auch nicht, wozu der Raspberry Pi zwei HDMI-Ausgänge braucht. Zum Basteln auf jeden Fall nicht. Eine normale HDMI-Buchse wäre sinnvoller.
Übrigens ist es nicht egal, an welcher Buchse Sie Ihren Monitor anschließen! Sie müssen die erste Buchse verwenden (die direkt neben dem USB-C-Stromanschluss), sonst bleibt Ihr Monitor schwarz.
Schon eher verständlich ist der Umstieg auf USB-C für die Stromversorgung. Erste Tests mit einem 15-W-Netzteil plus einem USB-C/USB-B-Adapter führten allerdings zu Undervolting-Fehlermeldungen und dem gelben Blitz auf dem Bildschirm. Da wird der nächste Kabelkauf fällig … Glücklicherweise hatte ich noch ein USB-C-Notebook-Netzteil zuhause: Mit seinen 65 W sollte es nicht nur für das aktuelle Modell, sondern auch für die nächsten Raspberry-Pi-Generationen ausreichen ;-) Auf jeden Fall läuft der Raspberry Pi damit stabil.
Geschwindigkeit
Der Raspberry Pi ist in jeder Hinsicht flotter geworden: Er bootet schneller als mein Notebook, fühlt sich beim Arbeiten geschmeidig an und überzeugt durch spürbar größere Übertragungsraten (SD-Karte, USB-C-Datenträger, Ethernet).
Die folgenden Kommandos ermitteln die Taktfrequenzen einiger Komponenten und führen einen simplen Benchmarktest durch. (Alle Vergleichsangaben beziehen sich auf den Raspberry Pi 3B+.)
cat /sys/devices/system/cpu/cpu0/cpufreq/scaling_cur_freq
600000
cat /sys/devices/system/cpu/cpu0/cpufreq/scaling_max_freq
1500000 (bisher 1400000)
vcgencmd get_config sdram_freq # RAM
sdram_freq=0 (bisher 500)
vcgencmd get_config core_freq # Video Core
core_freq=500 (bisher 400)
vcgencmd get_config gpu_freq # 3D-Core
gpu_freq=500 (bisher 300)
sudo apt install sysbench
sysbench --test=cpu --cpu-max-prime=20000 --num-threads=4 run
...
Test execution summary:
total time: 63.1 s (bisher 79,7 s)
Auf weitere Benchmark-Tests habe ich verzichtet. Da haben sich andere Leute schon viel Mühe gegeben — siehe Tom’s Hardware oder medium.com.
Bei aller Begeisterung über die gesteigerte Geschwindigkeit kann freilich auch der Raspberry Pi 4 nicht mit modernen Notebooks oder PCs mithalten. Wenn keine hohen Ansprüche gestellt werden, kann der Pi 4 mit 4 GB RAM (4×4 würde sich als Bezeichnung anbieten) aber durchaus als Desktop-Ersatz durchgehen.
Hitzig
Laut diverser Tests ist die Leistungsaufnahme des Pi 4 nicht wesentlich höher als beim Vorgängermodell (ca. 3,5 W im Leerlauf, fast 8 W unter Last). Fakt ist aber, dass die CPU (genaugenommen ist es ein SOC, ein System-on-a-Chip) schon nach wenigen Minuten so heiß wird, dass man beim Angreifen des Geräts aufpassen muss, sich nicht die Finger zu verbrennen. Ein Kühlkörper ist definitiv kein Luxus mehr. Ein kompaktes Gehäuse ohne Luftzufuhr ist sicherlich keine gute Idee.
Dass die neue CPU wieder Overclocking erlaubt (siehe nochmals Tom’s Hardware), wird alle Benchmark-Fanatiker natürlich erfreuen. Ob das angesichts der schon im Normalzustand hohen Wärmeentwicklung der Lebensdauer förderlich ist, sei aber dahingestellt.
Raspbian Buster
Debian 10 alias Buster ist zwar noch nicht fertig, aber das hindert die Raspberry Pi Foundation nicht daran, eine auf Buster aktualisierte Raspbian-Version auszuliefern. Von der in der Ankündigung versprochenen Layout-Modernisierungen am Desktop ist nicht viel zu spüren — rein optisch sieht Raspbian im Prinzip unverändert aus.
Die folgende Tabelle fasst einige Versionsnummern zusammen:
Basis Desktop Programmierung Server
--------------- ------------------ -------------- --------------
Kernel 4.19 Chromium 74 bash 5.0 Apache 2.4
glibc 2.28 Gimp 2.10 gcc 8.3 CUPS 2.2
X-Server 1.20 LibreOffice 6.1 Java 11 MariaDB 10.3
Mesa 19.1 LXDE 10 PHP 7.3 OpenSSH 7.9
Systemd 241 VLC 10 Python 2.7/3.7 Samba 4.9
Anmerkungen:
- Java 11 funktioniert offenbar auf den Zero-Modellen nicht mehr (Quelle).
- Mathematica steht aktuell noch nicht zur Verfügung.
- Raspbian läuft aus Kompatibilitätsgründen weiterhin im 32-Bit-Modus. Eine Umstellung auf 64-Bit-Code würde vermutlich noch ein wenig mehr Performance bringen.
Wie andere Tester bereits festgestellt haben (z.B. heise.de), gibt es bei der Wiedergabe von Videos noch arge Probleme. Der SoC einhält Hardware-Funktionen zur Decodierung von H264- und HEVC/H265-Videos. Für andere Formate ist aber die CPU zuständig, und die wirkt mit den aktuellen Treibern überfordert. Anders als für ältere Pi-Modelle gibt es keine Hardware-Decodierung für VC1 und MPEG2. Daher ist auch der zusätzliche Kauf der entsprechenden Schlüssel hinfällig (Quelle).
Auch die LibreELEC-Entwickler weisen darauf hin, dass die erste LibreELEC-Alphaversion für den Raspberry Pi 4 wirklich noch experimentellen Charakter hat. (Eigene Tests habe ich noch keine durchgeführt.)
Andere Raspberry-Pi-Distributionen sind aktuell noch gar nicht Pi-4-kompatibel. Das gilt unter anderem für Win 10 IoT, Rasplex, Ubuntu Mate, Volumio etc. Da sich die Hardware des Pi 4 radikal verändert hat, wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis es entsprechende Aktualisierungen gibt.
Kurz zusammengefasst: So cool die neue Hardware ist — bei der Software gibt es noch starken Nachholbedarf.
GPIOs
Die 40-polige GPIO-Leiste ist grundsätzlich kompatibel zu den älteren Raspberry-Pi-Modellen. Allerdings haben einige Pins jetzt alternative Funktionen, können also je nach Programmierung bzw. Treiberkonfiguration für unterschiedliche Aufgaben verwendet werden. Ein gutes Diagramm über die vielen Doppelbelegungen der Pins hat Tom’s Hardware zusammengestellt.
Laut raspberrypi.org unterstützt der BCM2711 die folgenden Funktionen/Bus-Systeme:
BCM2711 am Pi4B verfügbar
----- --------- -----------------
CSI 2x 1x
DSI 2x 1x
I2C 6x 6x
SPI 6x 5x (4x in der GPIO-Leiste)
UART 6x 6x
USB- und Network-Booting
Ältere Raspberry-Pi-Modelle konnten von USB-Datenträgern bzw. von über das Netzwerk zur Verfügung gestellten Images booten (PXE). Für den Pi 4 sind diese Funktionen ebenfalls geplant, aber noch nicht realisiert. Angesichts der USB-3-Schnittstelle erscheint die Verbindung des Raspberry Pi mit einer SSD als Datenträger und Boot-Device natürlich extrem spannend.
WLAN-Probleme
In meinem Büro sind zwei WLANs in Reichweite. Alle bisherigen Pi-Modelle konnten eine Verbindung zu beiden WLANs herstellen. Dem Raspberry Pi 4 gelingt dies hingegen nur zu einem der beiden WLANs. Es gibt keine Fehlermeldungen. Die WLAN-GUI sagt, das WLAN sei disassociated. Bisher habe ich auch keine Logging-Dateien gefunden, die Aufschluss über das Problem geben. Merkwürdig.
Quellen
- raspberrypi.org
- Test bei heise.de
- Test bei Tom’s Hardware
- Hardware-Infos vom libreelec-Team
- Raspbian Buster Bugs + Probleme
- Pi-4-Diskussion im Raspberry-Pi-Forum
- Video-Probleme im Raspberry-Pi-Forum
Benchmarks, Overclocking, Leistungsaufnahme
- Benchmark-Tests (Tom’s Hardware)
- Benchmark-Tests (medium.com)
- Overclocking (Tom’s Hardware)
- Overclocking-Diskussion im Raspberry-Pi-Forum
- Leistungsaufnahme (raspi.tv)
Hardware / BCM2711 / GPIOs
- Hardware-Überblick (raspberrypi.org)
- Hardware-Überblick (raspi.tv)
- Kurzbeschreibung des BCM2711 (raspberrypi.org)
- Vorläufiges BCM2711-Datasheet (PDF)
- GPIO-Infos (Tom’s Hardware)
- GPIO-Infos (elinux.org)
- Schematische Schaltpläne der Anschlüsse (PDF)
Updates (13.7.2019)
- Die WLAN-Probleme sind mittlerweile im Zuge eines Kernel- und Firmware-Updates verschwunden.
- Außerdem wird der Raspberry Pi 4 im Ruhezustand nun etwas weniger heiß.
- Aufgrund eines Fehlers auf der Platine gelingt die Stromversorgung mit manchen USB-C-Kabeln nicht (siehe USB-C-Ärger mit dem Raspberry Pi 4).
- Mathematica 12 steht nun zur Verfügung und kann mit
apt install wolfram-engine
installiert werden (siehe pi-buch.info).
Eine schöne Zusammenfassung, Vielen Dank Michael!
Danke für den Bericht. Die zwei Micro-HDMI-Anschlüsse irritieren mich auch. Ein normaler HDMI hätte es auch getan, zumal man dann keine neuen Kabel bräuchte.
Oben bei den Eckdaten fehlt noch die Info, dass jetzt auch WLAN mit AC-Standard unterstützt wird. Ist vielleicht nicht ganz unwesentlich.
Ich finde die 2 HDMI-Anschluesse prima. Ich habe einige Kunden, die Raspis als Thinclients nutzen fuer Windows oder Linux-Terminalserver. Da werden manchmal auch 2 Monitore gebraucht, was bisher andere Rechner erforderte. Endlich komme ich jetzt hoffentlich mit einheitlicher Hard- und Software durch
so siehts bei mir auch aus, rdp mit zwei monitoren
AC hatte der Pi 3B+ auch schon.
Zu dem Temperaturproblem:
https://www.cnx-software.com/2019/06/29/new-raspberry-pi-4-vli-firmware-lowers-temperature/
Oder hier von der Quelle:
https://www.raspberrypi.org/forums/viewtopic.php?f=28&t=243500&p=1490467#p1490467
Es gibt ein Update des Bootroms für den Fix.
Guten Tag,
habe den Pi 4 mit 2GB erhalten. Dazu nutze ich erstmals das Netzteil von Huawei P9+, das funktioniert stabil.
Derzeit finde ich kein Kühlkörper Set für den PI4.
Habe BOINC installiert, nachdem das Programm eingerichtet wurde ( mit 4 Kerne Betrieb ) ging die CPU
Temperatur auf über 85°C hoch –> sofort gestoppt um den PI zu schützen.
Auch die Installation von Teamviewer 12 läuft nicht richtig. D.h. es wird keine ID bzw. Passwort generiert.
Mit der 64GB SanDisk Ultra läuft alles stabil. Umstellung FireFox auf deutsch ist mir trotz Suche nicht gelungen.
P.S. Deine Informationen auf der Webseite sind sehr hilfreich.
Passive Kühlung wäre bei Dauerlast sicherlich angebracht aber der Pi taktet runter, wenn es ihm zu heiß wird.
Ein Abschalten deshalb ist daher laut Foundation nicht nötig, auch wenn der Pi dann eben langsamer wird.
Eine aktive Kühlung wäre sicherlich übertrieben aber in einem geschlossenem Gehäuse bringt wohl keine Kühlung was, da sich die Hitze dann trotzdem staut.
Ich werde meinen 4er bei offenem Gehäuse passiv kühlen.
Danke für die schöne Zusammenfassung.
Wird das Raspberry PI Buch auf den PI4 aktualisiert und wenn ja wann ?
Ich beginne gerade mit dem Thema Raspberry und stelle mir gerade die Frage ob das PI Buch ( Version 3B ) kaufen soll oder doch lieber warten soll bis die aktualisierte Version zum PI4 erscheint. Was würden Sie mir empfehlen als absoluter Einsteiger ?
Beste Grüße
Ralph
Natürlich wird es eine
NeuaufgabeNeuauflage geben, der Termin ist aber noch unklar. Und selbst wenn ich ihn selbst schon wüsste, könnte ich ihn hier nicht verraten, bevor das Buch bei rheinwerk-verlag.de angekündigt ist.Danke für diese Zusammenfassung!
Zum Thema „USB- und Network-Booting“, ist dieses denn mit dem aktuellen Raspbian Image und älteren Pis (3B+) möglich oder ist diese Funktion für alle Modelle in dem Release noch nicht verfügbar?
Grundsätzlich ja.
https://www.raspberrypi.org/documentation/hardware/raspberrypi/bootmodes/msd.md
https://www.raspberrypi.org/blog/pi-3-booting-part-ii-ethernet-all-the-awesome/
Meine Tests mit USB-Booting sind allerdings nicht besonders positiv verlaufen:
https://pi-buch.info/nicht-vom-usb-stick-booten/
Net-Booting habe ich nie probiert.
Diese Funktion ist auf dem Pi 4B noch nicht vorhanden, ist aber bei der Foundation in Arbeit.
Zuerst soll PXE-Boot realisiert werden, danach sei USB-Boot dran.
Weitere Infos dazu hier:
https://www.raspberrypi.org/documentation/hardware/raspberrypi/booteeprom.md
Hallo,
vielen Dank für diese Übersicht.
Bei Modell 3 B wurde noch mokiert, dass LAN- und USB-Anschlüsse sich die selbe Schnittstelle teilen oder so ähnlich. Ist Ihnen bekannt, ob dies bei diesem Modell weiterhin der Fall ist?
Nein. GBit-LAN und USB sind komplett getrennt und bremsen sich gegenseitig nicht mehr.
Ich hoffe, es wird eine NeuaufLAGE geben, aber eine NeuaufGABE wäre vielleicht auch einmal interessant…
Hallo, wird es aufgrund des Netzteil Problems (USB C Stecker) und der erhöhten CPU Hitzeentwicklung einen neuen Raspberry Pi 4+ geben?
Ich bin kein Hellseher. Aber ich erwarte eher, dass spätestens ab Herbst ein minimal verbesserter Raspberry Pi 4 unter dem selben Namen verkauft wird. Und vielleicht ein 4+ in einem Jahr mit 2 GiB RAM als Minimum?