Wenige Tage nach Fedora hat Ubuntu nachgezogen. Spannend an der Version »Lunar Lobster« ist der komplett neu implementierte Installer.
Update 28.4. und 6.5.: Massive Installer-Problem (siehe unten)
Installation
Über die Installation von Standarddistributionen lohnt es sich kaum mehr, etwas zu schreiben. Das Prozedere verläuft in festen Bahnen, Neuerungen gab es in den vergangenen Jahren nur ganz selten. Wozu etwas ändern, wenn alle zufrieden sind?
Canonical sah das anders und hat das Installationsprogramm für Ubuntu rundumerneuert. Interessanterweise kam dabei die plattformunabhängige GUI-Bibliothek Flutter zum Einsatz. Wer sich nun spektakuläre neue Features erwartet, wird aber enttäuscht sein. Auch wenn das Layout ein wenig anders aussieht als bisher, weisen die Dialoge exakt dieselben Optionen auf wie bisher. Bei meinen Tests hat sich der Installer auch wie gewohnt verhalten, wobei ich zugeben muss, dass ich bisher nur einfache Setups ausprobiert habe. Die einzig echte Neuerung ist eine Auswahlmöglichkeit zwischen einem hellen und einem dunklen Desktop-Layout — eine Einstellung, die bei Bedarf auch später einfach geändert werden kann.
Canonicals Fehde gegen Flatpak
Wie schon in den vergangenen Versionen setzt Canonical als zweites Paketformat auf die Eigenentwicklung Snap. Neben diversen Bibliotheken sind standardmäßig nur zwei echte Snap-Pakete installiert: Firefox und eine modifizierte Version des Software-Managers. Immerhin wurde ein großer Kritikpunkt an Firefox ausgemerzt: Der Browser startet nun nahezu gleich schnell wie bei einer herkömmlichen Installation. Der Preis für die wenigen Snap-Pakete ist hoch: du /snap
liefert einen Installationsumfang von 2,6 GByte (!). Die Images sind zwar komprimiert und brauchen tatsächlich weniger Platz auf der Disk. Aber für die Ausführung von Snap-Paketen ist eine Menge RAM erforderlich.
Andreas Proschofsky weist in seinem ausführlichen Ubuntu-Test auf die bestürzend schlampige Integration von Snap-Paketen im Software-Manager hin. Selbst wäre mir das vermutlich entgangen, weil ich dem Software-Manager (also »Ubuntu Software«) normalerweise aus dem Weg gehe, ganz egal, unter welcher Distribution ich gerade arbeite.
In der Vergangenheit hat Ubuntu das alternative Zweitformat Flatpak aus der Red-Hat-Schmiede nahezu gleichwertig unterstützt. Das gilt nun nicht mehr ganz: Das Paket flatpak
ist standardmäßig nicht installiert. Das Paket wird aber weiter mitgeliefert und kann mit apt install flatpak
im Handumdrehen installiert werden.
Schon interessanter ist eine andere Regel: »Offizielle« Ubuntu-Derivate müssen Snap verwenden und dürfen nicht auf Flatpak setzen (Quelle). Ob das Snap beliebter macht?
Ein Blick in die Tiling-Zukunft
Ubuntu denkt darüber nach, in Zukunft Tiling-Funktionen in Form einer zusätzlichen Gnome-Erweiterung standardmäßig auszuliefern. »Tiling« gibt vor allem Nutzern von großen Monitoren bessere Möglichkeiten, mehrere Fenster nebeneinander zu platzieren. Wie gut das funktionieren kann, hat (ausgerechnet!) Microsoft in Windows 11 gezeigt.
Wenn Sie die neue Funktion schon jetzt ausprobieren möchten, installieren Sie das entsprechende Paket, das sich bereits in den Paketquellen befindet:
sudo apt install gnome-shell-extension-ubuntu-tiling-assistant
(Ein kürzerer Paketnamen war wohl nicht möglich.) Die Installation lohnt sich alleine schon deswegen, weil Fenster nun endlich in einem Monitorviertel platziert werden können (während Gnome findet, Halbe-Halbe muss reichen). Wird die Größe der Fenster dann verändert, passen sich die anderen Fenster auch gleich an. Nach der Installation der Tiling-Erweiterung tauchen in den Systemeinstellungen zwei neue Optionen auf, mit denen sich das Tiling-Verhalten ein wenig adaptieren lässt.
Software-Versionen
Basis Desktop Programmierung Server
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Kernel 6.2 Gnome 44 bash 5.2 Apache 2.4
glibc 2.37 Gimp 2.10 docker.io 20.10 CUPS 2.4
X-Server 1.21 LibreOffice 7.5 gcc 12.2 MariaDB 10.11
Wayland 1.21 git 2.39 MySQL 8.0
Mesa 23.0 Java 17 OpenSSH 9.0
Systemd 252 PHP 8.1 qemu/KVM 7.2
NetworkMan 1.42 Python 3.11 Postfix 3.7
GRUB 2.06 Samba 4.17
Installer-Probleme (28.4.2023)
Heute habe ich versucht, Ubuntu 23.04 auf einen weiteren Rechner zu installieren. Es handelt sich um einen recht gewöhnlichen, schon etwas in die Jahre gekommenen PC. Zwei SATA-SSDs, eine mit Windows 11, die andere mit einer bunten Sammlung von Linux-Distributionen. LAN-Integration über Ethernet-Kabel. Intel-CPU, 16 GB RAM.
Auf diesem Rechner bleibt der Installer im ersten Dialog einfach hängen. (Ich habe über 10 Minuten gewartet. Keine CPU-Aktivität, nichts …) Die Logging-Datei bleibt bis auf eine Zeile leer, und auch die Bildschirmausgaben beim Start des Installers aus einem Terminal heraus sind dürftig:
Im Internet habe ich nur wenige vergleichbare Fehlerberichte gefunden:
- https://www.reddit.com/r/Ubuntu/comments/129t094/ubuntudesktopinstaller_is_stuck
- https://bugs.launchpad.net/ubuntu/+source/ubiquity/+bug/2009489
Dafür gibt es offensichtlich auch andere Fehler, die z.B. hier dokumentiert sind:
Glücklicherweise gibt es ein gut verstecktes ISO-Images mit dem herkömmlichen »Legacy Installer«. Damit ist die Installation mühelos gelungen.
https://cdimage.ubuntu.com/daily-legacy
Noch mehr Probleme
Weiterer Versuch mit den neuen Installer, diesmal auf einem Notebook. Bei der manuellen Installation war es mir nicht möglich, eine EFI-Partition zu erstellen. Ich habe das manuell im Terminal mit parted
erledigt. Die Fenstergröße des Installers ist relativ klein; es kann nicht vergrößert werden, und ein horizontales Scrolling ist nicht vorgesehen.
Bis zu Version 24.04 ist ja noch fast ein Jahr Zeit. Aber bis dahin gibt es für Canonical noch viel zu tun …
Ehrlich gesagt, jede neue Ubuntu-Version geht an mich vorbei und interessiert mich heute so sehr, als wenn ein Sack Reis in China umfällt. Ubuntu war einmal innovativ und gut, aber heute leider nicht mehr.
Distros wie Debian, Manjaro, Mint, MX und andere sind eindeutig besser und sie hören auch auf die Nutzer, was sie wollen und nicht. Canonical aber pfeift drauf.
Danke für den kleinen Einblick in die neue für neun Monate unterstütze Version Ubuntu 23.04.
Aus Erfahrung wird man klug. Ich setze mittlerweile auf die immerwährende Unterstützung von Tumbleweed durch openSUSE. Das System läuft mit btrfs. Bisher sind alle meine Versuche ein btrfs zu beschädigen fehlgeschlagen. Es scheint ihm ewiges Leben beschieden zu sein.
Ein neues System ist im Handumdrehen zusammengestellt: https://forums.opensuse.org/t/freiburg-first-boot-tue-2023-05-09-0948-cest/166241
Linux ist erwachsen geworden.