AlmaLinux 9

Vergleichsweise kurze drei Jahre dauerte es von RHEL 8 bis RHEL 9: Vor ca. zwei Wochen präsentierte Red Hat die neueste Version von Red Hat Enterprise Linux. Diese Linux-Distribution wird in den nächsten Jahren als Referenz für den kommerziellen Linux-Einsatz gelten.

Das Rennen, wer als erster einen RHEL9-Klon fertigstellen kann, hat AlmaLinux gewonnen. AlmaLinux zählt neben Rocky Linux und Oracle Linux zu den drei wichtigsten CentOS-Nachfolgern. (Zur Erinnerung: CentOS, der in der Vergangenheit populärste RHEL-Klon, wurde von Red Hat Ende 2021 eingestellt. CentOS Stream, ein neues Angebot von Red Hat, hat eine andere Zielgruppe als das originale CentOS.)

Nur 9 Tage nach dem RHEL-Release steht AlmaLinux 9 für dieselben vier CPU-Architekturen wie das Original zur Auswahl: x86_64, aarch64, ppc64le und s390. Zusätzlich zu den »gewöhnlichen« Installations-ISO-Images gibt es Live-Images, die neben Gnome auch die (von Red Hat nicht offiziell unterstützten) Desktop-Systeme KDE und Xfce enthalten. AlmaLinux gibt es auch in Form von Docker-Images, zur Installation für den Raspberry Pi, zur Installation im Windows Subsystem for Linux (WSL) sowie für diverse Cloud-Plattformen. Dass AlmaLinux diese riesige Software-Palette wenige Tage nach dem RHEL-Release anbieten kann, ist beeindruckend.

Dieser Blog-Beitrag wirft einen ersten Blick auf AlmaLinux 9 für x86-64-CPUs.

AlmaLinux 9 verwendet Gnome 40 als Desktop

Installation und Betrieb

An der Installation von RHEL bzw. AlmaLinux hat sich im Vergleich zu Version 8 praktisch nichts verändert. Das Installationsprogramm funktioniert unverändert. Unübersichtlich wie eh und je ist die Partitionierung der Datenträger (falls erforderlich). Alle anderen Schritte sind schnell und intuitiv erledigt.

Installation von AlmaLinux 9

Für die Konfiguration von RHEL bzw. AlmaLinux gewinnt Cockpit weiterhin an Bedeutung. Die Webkonsole muss mit systemctl enable --now cockpit.socket aktiviert werden und kann dann über Port 9090 im Webbrowser verwendet werden.

Konfiguration von AlmaLinux durch Cockpit

Für nicht offizielle Zusatzpakete ist EPEL weiterhin die erste Wahl. Die Paketquelle wird unter AlmaLinux einfach mit dnf install epel-release aktiviert.

Versionsnummern

Wie üblich steht bei RHEL 9 und damit auch bei allen Klonen Stabilität vor Aktualität. Im Vergleich zu Version 8 ist der Software-Stack aber doch deutlich aktueller. Das AppStream-Konzept wird von wichtigen Programmiersprachen und Server-Paketen in Zukunft auch neuere Versionen zur Auswahl stellen.

Basis             Desktop             Programmierung   Server
---------------   ------------------  --------------   --------------
Kernel     5.14   Gnome          40   bash       5.1   Apache     2.4
glibc      2.34   Firefox ESR    91   gcc       11.2   CUPS       2.3
X-Server   1.20   Gimp         2.10   git       2.31   MySQL      8.0
Wayland    1.19   LibreOffice   7.1   Java        11   OpenSSH    8.7
Mesa       21.3   Thunderbird    91   PHP        8.0   qemu/KVM   6.2
Systemd     250                       Podman     4.0   Postfix    3.5
NetworkMan 1.36                       Python     3.9   Samba     4.15
GRUB       2.06 

Technische Neuerungen

Abseits der Versions-Updates gibt es in RHEL9 verblüffend wenig »echte« Neuerungen.

  • Firewall: Die Firewall-Funktionen verwenden nun nft als neues Fundament. In der Praxis ändert das vorerst wenig, iptables steht als kompatibles Kommando weiterhin zur Verfügung. Die Release Notes warnen allerdings davor, die in iptables-nft enthaltenen Kommandos einzusetzen. Die Kompatibilitätsschicht wird nicht weiterentwickelt, neue Firewall-Scripts sollen nativ nft verwenden.

  • Netzwerkkonfiguration: Das traditionsreiche Verzeichnis /etc/sysconfig/network-scripts ist jetzt leer. Standardmäßig erfolgt die Konfiguration der Schnittstellen nun direkt durch Dateien im Verzeichnis /etc/NetworkManager/system-connections. (Das NetworkManager-Plugin ifcfg-rh zur Verarbeitung von Konfigurationsdateien in network-scripts steht aber weiterhin zur Verfügung und funktioniert unverändert. Es befindet sich im Paket NetworkManager. Details siehe man nm-settings-ifcfg-rh sowie man NetworkManager.conf.)

  • Core Scheduling: Mit Core Scheduling besteht die Möglichkeit, einer Gruppe von Prozessen eine CPU-Core zuzuweisen. Das kann aus Sicherheits- oder Performance-Gründen zweckmäßig sein. Mehr Details sind hier beschrieben.

  • Grafiksystem: Schon RHEL 8 setzte standardmäßig auf Wayland. Neu ist, dass X.org in den Release Notes nun als deprecated bezeichnet wird. Offensichtlich sollen die X.org-Pakete in zukünftigen RHEL-Versionen entfernt werden. Für die X-Kompatibilität ist Xwayland zuständig.

  • Virtualisierung: Wie schon in RHEL 8 ist virt-manager als deprecated markiert. Das Paket steht aber weiterhin zur Verfügung. Längerfristig soll virt-manager durch Cockpit ersetzt werden.

  • Podman: Red Hat setzt anstelle von Docker weiter auf die Eigenentwicklung Podman. RHEL/AlmaLinux 9 enthält die erst im Februar 2022 vorgestellte Version 4.0 von Podman.

Fazit

RHEL 9 ist, was die technischen Neuerungen betrifft, ein eher unspektakuläres RHEL-Release.

Erfreulich entwickelt hat sich das Angebot der RHEL-Klone: Vor zwei Jahren hatte ich befürchtet, ohne CentOS würde ein riesiges Loch in der RHEL-Welt entstehen. Stattdessen gibt es nun mit Rocky Linux und AlmaLinux zwei neue, sehr aktive und offenbar gut finanzierte Angebote. Zusammen mit Oracle Linux und einigen weiteren Anbietern ist das Klon-Angebot breiter denn je.

Es ist schwer, unter den Klonen einen eindeutigen Favoriten zu erkennen. Seit 18 Monaten sticht Alma Linux aber durch besonders schnelle Reaktionszeiten hervor — d.h. die Wartezeiten nach offiziellen RHEL-Releases beträgt jeweils nur wenige Tage. Insgesamt ist es beruhigend zu sehen, dass es nicht ein Angebot gibt, sondern eine gesunde Konkurrenz zwischen mehreren Anbietern (samt Scripts, die einen unkomplizierten Wechsel ermöglichen).

Quellen/Links

Red Hat Enterprise Linux 9

Sonstiges

4 Gedanken zu „AlmaLinux 9“

  1. Die KDE und Xfce Sachen sind aber Community-Kram. RHEL unterstützt beides nicht und folglich nimmt AlmaLinux diese vermutlich von EPEL oder baut sie selbst. Sollte man vielleicht erwähnen.

    1. Die Arche Noah war Community-Kram, die Titanic hingegen ein vollwertiges Enterprise-Produkt. :o)

      1. Das war nicht so abwertend gemeint, wie es sich jetzt vielleicht liest. Die Community macht tolle Sachen. Ich denke nur, wer RHEL bzw. einen Klon nutzen möchte, will das Red Hat „Qualitätsversprechen“. Wer mit Community-Leistungen zufrieden ist, kann auch andere Distributionen verwenden.

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