Warum muss ich ein Distributions-Update machen, damit ich die neueste Version von git
verwenden kann? Oder von LibreOffice? Damit ich in einer aktuellen Version von Python programmieren kann? Die Zeiten, in denen sich Linux mit jedem Distributions-Update grundlegend verändert, sind seit etlichen Jahren vorbei. Die Zeit ist reif für Rolling-Release-Distributionen, bei denen eine einmalige Installation und in der Folge »kleine« Updates ausreichen.
Wer heute ein neues Notebook kauft und darauf Linux installiert, sollte dieses während der Lebenszeit des Geräts (vielleicht fünf bis sieben Jahre?) mit simplen Updates nutzen können.
In den vergangenen drei Jahren habe ich auf meinem Notebook alle halbe Jahr ein Release-Update von Ubuntu n auf Ubuntu n+1 durchgeführt. Grundsätzlich sind diese Updates keine Hexerei, aber sie dauern relativ lange und durchbrechen die »normale« Nutzung. Nicht selten gibt es während des Updates oder danach Probleme.
Die Verwendung einer LTS-Version, wie ich dies auf meinen Servern handhabe und »Normalanwendern« empfehle, kommt für mich privat nicht in Frage: Als IT-Autor muss ich die gerade neuesten Versionen diverser Programme ausprobieren und will dabei nicht (nur) in virtuellen Maschinen bzw. mit Docker arbeiten.
Natürlich könnte ich statt Ubuntu auch Debian, Fedora oder openSUSE verwenden — aber das Grundproblem ändert sich nicht. Regelmäßig sind, losgelöst von »normalen« Paket-Updates, disruptive Distributions-Updates erforderlich.
In der fernen Vergangenheit waren derartige Distributions-Updates oder gar Neuinstallationen unumgänglich, weil es fundamentale Neuerungen gab: Der Wechsel des Init-Systems von Init-V über Upstart zu systemd, der Wechsel des Dateisystems von ext2 zu ext3, reiserfs, btrfs, xfs oder ext4 (je nach Vorliebe), neue Verfahren, um das Internet per Modem, ISDN, ADSL und WLAN zu nutzen etc. Wann gab es zuletzt derart weitreichende Strukturänderungen in einer Linux-Distribution?
Linux ändert sich aktuell nur inkrementell. Das ist nichts Negatives, sondern ein Zeichen dafür, wie sehr sich Linux im Verlauf von drei Jahrzehnten stabilisiert hat.
Man kann über Extra-Paketformate wie Snap oder Flatpak streiten, über die Segnungen der neuesten Gnome-Version diskutieren, aber letztlich sind die so eingeführten Neuerungen kein zwingender Grund für einen Komplettumbau der ganzen Distribution, weder durch eine Neuinstallation, noch durch ein Distributions-Update.
Was für Firefox, Google Chrome und Thunderbird nun schon seit Jahren selbstverständlich ist, nämlich ein sofortiges Update zur nächsten Version sobald diese fertig ist, genau das will ich auch für andere Werkzeuge des täglichen Bedarfs: git
, ssh
, zsh
, Python, Emacs, vi, Gimp, LibreOffice usw.
Rolling-Release-Distributionen
Die Lösung sind Rolling-Release-Distributionen: Nach einer einmaligen Installation werden je nach Gusto und Sicherheitslage täglich, wöchentlich oder monatlich Paket-Updates installiert. Damit bleibt die ganze Distribution auf dem aktuellen Stand — über viele Jahre hinweg (im Idealfall über die ganze Lebensdauer des Computers).
Natürlich gibt es derartige Distributionen seit Jahren, ja Jahrzehnten (!), wie der folgende Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit zeigt:
- Arch Linux (verfügbar seit 2001) richtet sich schon bei der Installation dezidiert an Experten. In seiner eng umrissenen Zielgruppe ist Arch Linux seit Jahren sehr populär und gewinnt immer mehr Zulauf, zuletzt auch vom Autor dieser Zeilen …
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EndeavourOS und Manjaro sind benutzerfreundlichere Varianten von Arch Linux. Das reicht immerhin für die Plätze 2 und 4 im distrowatch-Ranking. Auch wenn dieses Ranking umstritten ist, ist es ein Indiz dafür, dass das Rolling-Release-Modell im Mainstream angekommen ist. (Arch Linux, also das Original, lag im April 2022 übrigens nur auf Platz 22.)
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Mit openSUSE Tumbleweed beweist auch SUSE seit 2014, dass das Rolling-Release-Modell funktioniert. Dennoch fliegt Tumbleweed weitgehend unter dem Radar der IT-Berichterstattung. Es ist schwer zu sagen, ob das am mangelnden Marketing oder an den YaST-Eigenheiten liegt. Persönlich hat meine Begeisterung für SUSE-Distributionen jeder Art in den letzten 10 Jahren stark nachgelassen, wobei ich nicht konkret festmachen kann, weshalb: Vielleicht ist es die Kombination von vielen distributionsspezifischen Sonderwegen kombiniert mit zu wenig aktueller Dokumentation?
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Der Rolling Rhino Remix versucht, Ubuntu zu einer Rolling-Release-Distribution macht. Im Wesentlichen ersetzt es die regulären Paketquellen durch devel-Quellen. Um die Updates kümmert sich dann das Script
rhino-update
. Dieser Ansatz ist zwar simpel, richtet sich aber an sehr experimentierfreudige Linux-User. (So gesehen kann man den Debian-Unstable-Zweig sid auch als Rolling-Release-Distribution bezeichnen.)
Rolling Release für die Massen?
Bei aller Begeisterung für die verfügbaren Rolling-Release-Distributionen fristen diese doch ein Nischendasein. Linux-Einsteiger starten typischerweise mit Ubuntu, Mint oder einer ähnlichen Distribution. Um das Rolling-Release-Modell massentauglich zu machen, müsste einer der Big Player, also z.B. Red Hat (IBM) oder Canonical, auf diesen Zug aufspringen. Das ist unwahrscheinlich: Das Rolling-Release-Modell entfaltet seine Attraktivität eher auf dem Desktop als auf dem Server. Red Hat, SUSE, Canonical & Co. verdienen Ihr Geld aber mit Server-Kunden.
Außerdem gibt es für technisch nicht versierte Desktop-Nutzer noch ein Hindernis: Gnome! Mit wirklich jedem Update funktioniert irgendeine der von mir genutzten Extensions nicht mehr (und ich bin schon dankbar, wenn es nur eine ist). Und leider sind viele Gnome-Konzepte einfach inkompatibel zu meinen persönlichen Vorlieben: Ohne Dash-to-Dock mag ich Gnome ganz einfach nicht verwenden.
Fazit
Meine Wünsche werden wohl Träume bleiben. Für mich persönlich heißt die Lösung aktuell Arch Linux. Nach zwei Monaten im Dauereinsatz bin ich auf keine unüberwindlichen Hindernisse gestoßen. Ob meine Begeisterung ausreicht, dass ich mein Notebook bis zu seiner Ablöse ohne Linux-Neuinstallation nutzen kann, muss sich aber erst zeigen.
Dessen ungeachtet kann ich mir nicht vorstellen, dass sich Arch Linux außerhalb der Freak- und Experten-Liga durchsetzt. Das Rolling-Release-Linux, das ich guten Gewissens auf den Rechner eines technisch nicht versierten Freunds oder einer Verwandten installieren würde, habe ich noch nicht gefunden.
Ich bin genau den anderen Weg gegangen. Hab Jahre lang Arch Linux benutzt, aber inzwischen hab ich nicht mehr die Zeit dafür. Darum bin ich vor etwa 2 Jahren zurück nach Ubuntu gewechselt. Am ende des Tages ist es wie du sagst, „Ob meine Begeisterung ausreicht,…“ Nach 5+ Jahren Arch wollte ich einfach auch mal wieder was anderes.
Zum Thema ob sich Arch durchsetzt, sicher nicht. Das soll es so auch gar nicht. Die wertvollste Ressource bei Arch ist die Community und die besteht aus überdurchschnittlich vielen Enthusiasten und Spezialisten. Nicht dem Standarduser, der stört nur im Forum.
Was das Steam Deck allerdings zeigt ist, dass sich Arch prima als Basis eignet. Ich hab mich schon immer gefragt warum so viele auf Debian setzten. Ich denke aber die Zeit von Debian läuft gerade ab, bzw es wird immer mehr in eine Nische gedrängt.
Ich muss vehement widersprechen:
Rolling Release ist ein absolutes No-Go für die Massen. Bei einer RR-Distribution ist man gezwungen (!) immer brav seine Updates zu machen. Man kann nicht einfach Updates für längere Zeit aussetzen, weil man gerade zufrieden mit dem System ist. Macht man es nicht, kann man sehr schnell massive Probleme bekommen. Wer bei ArchLinux mal vergisst Upgrades über einen längeren Zeitraum (z.B. einen Monat) zu machen (Weil man z.B. einen längeren Urlaub macht und der Laptop zu Hause liegt), kann sich auf sehr viel „Spaß“ einstellen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die meisten Anwender erstens sehr Updatefaul sind und zweitens plötzlich eintretenden Änderungen sehr kritisch gegenüber stehen.
RR ist vor allem ein Produkt für aktive Linux-Anwender und nicht für den passiven Anwender, der sein System einfach nur benutzen will. Bei RR-Distributionen können einfach zu viele Probleme auftauchen, die z.B. einfach damit zusammenhängen, dass sich die Python-Version geändert hat und ein Programm noch nicht darauf angepasst wurde.
Das GNOME ein Hindernis für technisch nicht-versierte Benutzer sein soll, weil irgendwelche Erweiterungen nicht mehr funktionieren, halte ich übrigens für ziemlich schlechte Propaganda:
Ein technisch nicht-versierte Benutzer installiert in der Regel keine Erweiterungen, weil er erstens nichts von ihnen weiß und zweitens, in der Regel, keinen Bedarf in diesen sieht. Beschwerden über Erweiterungen kommen immer nur von solchen Benutzern, die meinen sie müssten jedes Bit ihrer Desktopumgebung kontrollieren müssen. Also genau die Klientel, die große Befürworter von RR-Distributionen sind.
RR-Distributionen sind in meinen Augen ein Spielzeug für Linux-Anwender, die damit zwar arbeiten, aber eben auch daran arbeiten wollen. Quasi die IT-Entsprechung des Trends zur Selbstoptimierung.
Also, ob man immer „gezwungen“ ist, die Updates zu fahren, bin ich nicht so ganz deiner Meinung. Aber das muss sich für mich auch noch rausstellen, da ich Manjaro erst seit Januar installiert habe. Jedenfalls bin ich einer, der die Updates auch immer ein bißchen nebenher („kleckerweise“) macht, wenn möglich. Gerade bei Apps ist mir das wichtig, gezielt mitzukriegen, wenn es was Neues gibt. Immer noch gibt es viele Anwendungen, die nach einem Update nicht darauf aufmerksam machen. Insofern gefällt mir LibreOffice sehr gut, weil es eine Leiste einblendet, auf die ich reagieren kann, anklicken oder ignorieren ;-)
Wer sich seinen Desktop einstellen will, sollte halt kein Gnome benutzen. Das ist vielen nicht ganz klar. Gnome ist so eine „Fire & Forget“ Sache, die gezielt minimalistisch aufgebaut ist. Insofern sind die Erweiterungen ja schon eigentlich eine Abweichung dieser Philosophie. Da ich KDE-Nutzer bin, habe ich das Problem nicht. Es ist alles konfigurierbar und meiner Meinung nach lässt sich so gut wie jedes andere OS-Bedienschema damit abbilden. Grundsätzlich sollte das aber bei keinem Desktop nötig sein, wenn das Bedienkonzept stimmig ist. Was ich immer nicht verstehe: Warum sollte ich zu Linux wechseln, aber die krude Bedienerführung von Windows 10 oder 11 mitnehmen wollen (Zorin) ? Der normale Nutzer unterscheidet ja gar nicht „Hey, eigentlich ist Windows unter der Haube ja voll cool, nur die GUI ist Mist“… Das machen eben auch nur Leute, die mit ihrem System arbeiten wollen.
Bei mir war 2008 der Wechsel von Windows XP zu Kubuntu. Hatte ich nie bereut. Lediglich die PPAs haben mich immer genervt, und da spricht mir dieser Artikel zu 100% aus der Seele. Die PPAs haben nämlich den Nachteil, dass diese sofort fallen gelassen werden, sobald eine neue STS-Version von Ubuntu rauskommt. Das hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Es liegt mich Sicherheit auch an einem steigenden Aufwand, Pakete für verschiedene Versionen zu pflegen. Aber für den Anwender ist es eben auch nervig. Als Entwickler brauche ich eben auch ein aktuelles System, habe aber auch wenig Lust (und Zeit) alle 6 Monate ein Upgrade zu fahren.
Was mich nach viel Zeit zum Wechsel von Kubuntu zu Manjaro bewogen hat, war eben RR. Manjaro wartet im Gegensatz zu Arch immer ein wenig ab und es laufen auch entsprechende Tests, bevor die Updates freigegeben werden. Da ich selber auch per Hand einzelne Pakete und Apps aktualisieren, gehe ich auch davon aus, mit der Strategie nicht auf die Schnauze zu fliegen.
Außerdem habe ich kein einziges Snap oder Flatpak auf dem Rechner, weder zwangweise (Hallo Firefox!) noch freiwillig. Grundsätzlich bin ich dieser Technik nicht abgeneigt, aber ich finde nicht, dass grundlegende Softwareausstattung auf dieser Plattform aufbauen sollte. Überlege man sich mal, JEDE App unter deinem Linux wäre ein Snap/Flatpak, dann fühlt sich dein 32-Kerner an wie ein alter Pentium, DAS kann nicht das Ziel sein…
Witzig, ich gehe soeben den entgegengesetzten Weg. Die letzten vier Jahre hab ich am Desktop OpenSUSE Leap mit KDE verwendet, und war damit sehr zufrieden. Allerdings war mir das jährliche Update auf die nächste Version letzten Endes doch zu umständlich, was aber daran liegt, daß ich ein paar Dutzend solcher Desktops verwalte.
Mein idealer Desktop basiert im Moment auf einer Minimalinstallation von Rocky Linux 8, X11, einem abgespeckten KDE von EPEL (sehr sauber) und einer Handvoll Programme, eins pro Aufgabe.
https://gitlab.com/kikinovak/rocky-8-desktop
Für die Handvoll Sachen, bei denen ich brandaktuelle Versionen benötige, verwende ich Flatpak.
Dessenungeachtet hab ich in meiner ungarischen Verwandtschaft ein paar Linux-Profis, die schwören auf die Kombination OpenSUSE Tumbleweed mit KDE.
Warum nicht zweigleisig fahren mit Windows/Macos und Linux, oder auch dreigleisig mit Windows, Macos und Linux?
So kann man sich auf eine Linux-Distribution spezialisieren und unter Windows die neueste Software, Python Java oder LO nutzen.
Mache ich so. Ich schwanke momentan zwischen Fedora und openSUSE Leap als Linux-Distribution im speziellen. Hauptsächlich nutze ich aber Windows, weil mich der Linux-Desktop mit seinem eingeschränktem Softwareangebot einschränkt.
Bei Gnome3, ich mag diesen Desktop, verzichte ich mittlerweile auf Extensions. Wollte ich früher auch vieles haben, hatte aber auch Ärger mit ihnen. Was ich früher noch viel nutze waren aber die WMs wie Fluxbox, Openbox, Icewm. Weil klein, smart und nicht nervig. Das brachte mich schließlich bei Gnome3 zum Umdenken. Eigentlich ist es ja ganz schön das er „so wenig kann“. Anders als andere Desktops oder Windows 11, ist es nicht schrill oder laut. Er lässt mich arbeiten und ist still.
Nur eines kann ich nicht ab. Die feste Top-Bar da oben. Sie kann gerne oben bleiben, aber wenn ich Programme im Vollbild habe, muss diese verschwinden. Und genau dafür habe ich eine Extension. Und so gefällt mir das.
Danke Michael für dein Kommentar!
Ich würde auch gerne eine Rolling Release Distro nutze, leider ist mir das „Datenvolumen pro Monat“ für die regelmäßigen Aktualisierungen im Vergleich zu Debian zu groß. Schade!
Ist mit Ubuntu 22.04 dieses „Dash-to-Dock“ nicht überflüssig? Dafür gibt es doch jetzt einen Standardfunktion, um ein Apple ähnliches Dock zu bekommen. Ein „Rolling Release“ hat man natürlich wegen dem immer noch nicht.
Dash-to-Dock: In Ubuntu ja, aber in (fast) allen anderen Distributionen, die Gnome verwenden, nicht.
Ich muss noch mal mit einem Gedankenexperiment nachlegen. Es sollte eigentlich folgendes möglich sein:
Pakete werden wie für ein Rolling Release zur Verfügung gestellt. Diese sind also relativ zeitnah verfügbar. Aber der User entscheidet selbst, wann er diese Updates macht. Kann er gerne täglich machen, kommt nicht so viel zusammen. Macht er wöchentlich, soll auch kein Problem sein. Wenn jemand nur monatlich aktualisiert (das könnte mir mit meinen VMs schon mal passieren) oder sich noch länger Zeit lässt, sollte es ja kein so großes Ding sein, da im Kern ja nur geschaut werden muss: Gibt es ein neueres Paket als das installierte? Wenn ich von Firefox 97 auf 99 wechsle, weil ich die 98 eben verpasst habe, geht ja auch nichts kaputt?
Insofern wage ich zu behaupten, dass man mit einem Rolling Release nichts falsch machen kann. Wenn ich im Paketmanager (Pamac bei Manjaro beispielsweise) einen eigenen Rhythmus zur Updateprüfung wählen kann, dann wird das schon seinen Grund haben, dass es die Option überhaupt gibt.
Ich meine damit auch, dass der Anbieter (Canonical etc.) seine Pakete durchaus zeitnah anbieten könnte. Gerne auch als stable, unstable, dev etc. wer es denn mag (ist ja jedem sein eigenes Risiko). Aber der User steuert den Rhythmus, d. h. er kann ja so tun, als hätte er eine STS- oder LTS-Version. Jetzt ist es bei den Ubuntu-Versionen ja so, dass Canonical den Rhythmus vorgibt. Bei einem RR fiele das aber weg. Paket-Maintainer müssten sich auch nicht (gerade bei PPAs) auf verschiedene Versionen einstellen. So einige haben sich immer bemüht, die aktuelle und die letzte LTS sowie alle STS dazwischen zu unterstützen. Das fiele auch weg.
Ich kann meine Linux-Zeit (ungefähr 16 Jahre) in eine debianbasiert und dann archbasierte Phase unterteilen. Ich wechselte kurz nach den Erscheinen von Manjaro und dem Vorgänger von Endeavour zunächst experimentell mit beiden um und hatte in meinen wildesten Zeiten vier Rechner, auf denen jeweils mindestens drei Manjaros liefen. Ich hatte zwei wichtige Motive: Ich wollte die Angst loswerden, nach einem halben Jahr das System riskieren zu müssen, und ich wollte so aktuell wie möglich sein, was die Software anging, auch, weil ich in der Zeit sehr viel mit Videobearbeitung zu tun hatte. Den Umstieg habe ich nie bereut, auch wenn es zunächst hart war, mich in pacman einzuarbeiten. Ich habe das Paketierungssystem (oder wie sagt man da?) nie zerlegt, was mir bis heute ohne Mühe und Absicht bei Debianvarianten gelingt, die ich aus Nostalgie in virtuellen Maschinen laufen lasse. Manjaro hat zudem eine sehr hilfreiche Community. Mein ältestes Betriebssystem, dass ich kurz nach Ersterscheinen von Manjaro aufgesetzt habe, läuft bis heute auf einem 13 Jahre altem i3-Fujitsu-Klapprechner, der meine eiserne Reserve ist. Den aktualisiere ich alle halbe Jahre. Es läuft da eine Menge „Zeugs“ aus dem AUR, und bisher ging alles gut. Mein normaler Computertag in den beiden aktivsten Systemen sieht so aus: Rechner einschalten und hochfahren, aktualisieren, arbeiten. Bei Manjaro dauert es manchmal bis zu einem Monat, bis wieder eine Aktualisierung kommt (außer sicherheitsrelevanten Updates); aber die Engstelle ist dann die Internetleitung.
Aus beruflichen Gründen habe ich ab zu mit Windows-Rechnern zu tun und finde es sehr lästig und irritierend, wenn der Rechner im Hintergrund updatet, dass der Rechner seltsam verzögert arbeitet. Aktualisiere ich aber zu Beginn wie gewohnt, dauert es häufig lange Zeit, bis der Rechner meldet: Ja, es gibt Updates. Und meine MacOS-Erfahrungen, bezogen auf Updates, sind wenig erbaulich: Bei einem älteren MacBook in unserer Familie ist das Gerät auch schon mal zwei Stunden lahmgelegt, um dann darüber zu informieren, dass dieses Update für diese Hardware nicht zugelassen ist. Und das tatsächlich ziemlich schnelle M1-Macbook verabschiedet sich beim Updaten durchaus auch mal für neunzig Minuten, was dazu führt, dass ich das Update in der Nacht durchführe, weil die Besitzerin es tagsüber braucht, um damit zu arbeiten.
Deshalb: Rolling Release auf jeden Fall. Heute würde ich wahrscheinlich Endeavour nehmen, weil deren Updatedichte höher ist und es tagtäglich noch schneller geht. Als ich die Entscheidung zu einem archbasiertem System traf, verabschiedete sich jedoch gerade der Vorgänger von Endeavour und so wurde es Manjaro.
Ironie: Nachdem ich meinen vorigen Kommentar abgesendet hatte, öffnete ich Endeavour in Qemu und wurde informiert darüber, dass das System wohl beim letzten Update vergessen hatte, „eine vmlinuz-Datei anzulegen“. Tjaa. Experimentelles Tumbleweed, gab schon vor längerer Zeit seinen Testgeist auf, jetzt Endeavour … Es leben noch Siduction und Manjaro Unstable …
Rolling-Release Distros gibt es doch längst: Fedora Rawhide, Debian Sid, etc.
Das Problem ist aber: ständig ändern sich APIs, Verhalten, Designs, verfügbare Technologien, User-Bedürfnisse. Vor 20 Jahren wäre das Eingangsbeispiel mit git gar nicht möglich gewesen, da es noch kein git gab. LibreOffice gib es auch erst seit 2010. Die ständige Veränderung von allen Distributionskomponenten für dazu, dass Abläufe verändert werden müssen. Aber wer hat dazu die nötige Zeit das ungeplant zu machen? Deshalb ist ein iteratives Vorgehen aus User-Sicht das richtige. Die Iterationsperiode hängt vom User ab (wie lange will ich auf neue Features warten und wie viel Zeit habe ich um auf Veränderungen zu reagieren?).
Die Kernaussage „Linux ändert sich aktuell nur inkrementell“ ist mMn inkorrekt. Selbst beim Fokus auf Desktops sieht man ständige großflächige Umbauten (systemd ist mittlerweile durch, X-Server/Wayland ist nach wie vor ein Thema ständiger Veränderung (wann kommt endlich zoom-Screensharing mit Wayland), im Audio-Bereich war Pipewire bis vor kurzem ein Problemkind, HW-beschleunigte Videobearbeitung oder -wiedergabe ist nach wie vor ein Minenfeld). Hier würde eine fehlende Stabilisierungsphase des Rolling-Release-Modells einfach nur zu Frust führen.
Ein Beispiel dazu: in Fedora werden laufend alte (unsichere) Verschlüsselungsalgorithmen deaktiviert. Wenn jetzt ein harmlos erscheinendes libssl Update dazu führt, dass man keine SSH-Sessions mehr aufbauen kann, weil man einen RSA-2048 Key verwendet, dann wird man bald lernen, dass Updates böse sind (also Funktionalität brechen können) und sie nicht mehr einspielen. Wenn man aber Monate davor schon weiß, dass ein Distro-Update kommt, dann kann man sich Zeit nehmen (einplanen) und Dinge nach dem Update gründlich testen und ggf. Fehler beheben.
Für mich lautet daher Lösung Fedora (am Notebook und am Server) mit 6-Monats-Releases (ähnlich wie Ubuntu). Dort gibt es nur Kernel-Updates (der Linux-Kernel bietet halt als einziges eine gewisse API/ABI-Stabilität). Alle anderen Pakete bekommen nur Bugfixes. Und alle 6 Monate einige Stunden Fehlersuche nach einem Update ist für mich akzeptabel. Für eine Firma mit wesentlich mehr automatisierten Abläufen natürlich nicht. Aber die nutzen deshalb dann auch Distros mit längeren Releaseperioden.
Dass bei Fedora nur der Kernel Updates erhält und alles Andere nur Bugfixes stimmt so nicht. Im Gegenteil, auch bei Anwendungen, Bibliotheken etc. wird innerhalb eines Versionszyklus fleißig auf aktuelle höhere Versionen angehoben. Der KDE-Spin macht noch nicht einmal davor Halt, auf die neueste veröffentlichte Plasma-Version upzudaten (i.d.R. so ca. ein bis zwei Wochen nach Veröffentlichung durch die KDE-Community). Für mich stellt Fedora insofern aber auch die goldene Mitte dar: alle halbe Jahre ein neues Release, mit dem man auch mal größere Änderungen am Unterbau einführen kann, sowie während der Versionslebenszeit neben den sicherheitskritischen Updates auch ein gesundes Maß an neuen und als stabil befundenen Paketen quer durch alle Kategorien.
Ansonsten stimme ich mit vielen anderen Kommentaren hier überein, dass letztlich jeder für sich und den eigenen Anwendungsfall entscheiden muss, ob fixed oder rolling das passendere Modell darstellt. Ja, es gibt einen eindeutigen Trend zum Rolling-Release. Meiner Meinung nach ist das auch ein wenig ein Symptom des Zeitgeistes, der sich dadurch auszeichnet, dass man beim Althergebrachten gerne die Nase rümpft und das als total öde abtut und stattdessen ständig auf der Jagd nach dem heißesten Scheiß ist. Solange man kein Entwickler ist oder ständig die neueste Hardware nach Hause schleppt, wären aber die meisten wahrscheinlich selbst mit Debian stable gut bedient. Würde ich mich daher selber mit meinem bescheidenen Anwendungsspektrum ausschließlich mit Debian stable zufrieden geben? Eindeutig nein, denn – seien wir ehrlich – die meisten unter uns sind doch nicht nur Anwender, sondern irgendwo auch Linux-Enthusiasten und schnell gelangweilt, wenn die Distribution unserer Wahl nicht ab uns zu auch mal was Neues anzubieten hat.
Es gibt verschiedene Bedürfnisse oder use cases:
An der Arbeit muß ich produktiv sein und bin froh, wenn ich mit einer stabilen Distribution arbeiten kann, ohne daß irgendeine neue Software installiert wird. Security-Updates müssen leider sein, aber alles andere will ich i.d.R. nicht. Wenn ich ausnahmsweise eine neuere Version eines Programmes brauche, findet sich immer eine Lösung. Bei Debian gibt es z.B. oft Backports. Oder man läßt das Programm in einem chroot laufen.
Privat bin ich verspielter. Produktivität ist meist nicht wichtig. Da habe ich seit vielen Jahren Debian „testing“, was fast einem Rolling-Release-Modell entspricht. Manchmal stört es mich aber auch und ich überlege, ob ich auch privat auf ein stable release umsteige. Das Leben ist zu kurz für das Rolling-Release-Modell.
PS: Ein Notebook sollte eigentlich länger als nur sieben Jahre halten. Meines ist zehn Jahre alt und ich hoffe, daß es noch lange lebt :-)
Ich kann mit Rolling Release gar nichts anfangen. Ich will nicht gezwungen sein, das ganze Betriebssystem mit hunderten abhänigen Paketen ständig auf neue Versionen hochziehen zu müssen, nur um ein Office Paket, einen Musikplayer oder auch eine Entwicklumgsumgebung in der aktuellen Version nutzen zu können.
Umgekert wird es sicher auch häufig Fälle geben, wo man eine alte Software Version weiter nutzen will, ohne deswegen auf Updates des ganzen Systems verzichten zu müssen,
Ich weiß nicht ob Snaps oder Flatpacks da der königsweg sind, aber für mich ist es jedenfalls ein deutlich praktikablerer Weg, in einer stabilen Distribution gezielt einzelne Software in abweichenden Version installieren zu können, auch wenn das bedeute, das dann etliche Bibliotheken doppelt auf dem System vorhanden sind.
Och, Siduction rennt und rennt und rennt. Ja bedarf ein wenig mehr Pflege. Sonst wäre das Leben doch langweilig.
Auch Siduction kann gerne in die Liste mit aufgenommen werden.
Ich möchte hier einfach mal Solus https://getsol.us/home/ empfehlen. Solus hat RR und funktioniert sehr stabil und simple. Und ich musste dort nie nie nie in die Konsole, um irgendwelche Dinge zu konfigurieren. Es ist ohne Spass das beste Linux das es gibt.
Eine RR-Distro kommt auch für mich nicht in Frage. Ich bin mit Debian Stable mehr als zufrieden. Nach Aktualisierungen schaue ich aber gleich als erstes, wenn ich meinen Rechner angemacht habe und wir alle wissen ja, wie fix das unter Debian geht. ;-)
Mein Cousin hingegen hat seit gut 3 Jahren Arch und jetzt stellen sich die ersten Probleme ein – und er überlegt ernsthaft, ob er doch wieder zu Debian oder zu Linux Mint wechseln soll.
Ich bin zu 99% damit zufrieden:
Betriebssystem: openSUSE Tumbleweed 20220503
KDE-Plasma-Version: 5.24.4
KDE-Frameworks-Version: 5.93.0
Qt-Version: 5.15.2
Kernel-Version: 5.17.4-1-default (64-bit)
Grafik-Plattform: X11
Prozessoren: 8 × Intel® Core™ i7-6700K CPU @ 4.00GHz
Speicher: 31,0 GiB Arbeitsspeicher
Grafikprozessor: Mesa Intel® HD Graphics 530
An meine Computer lasse ich nur Tumbleweed. Wer damit nicht zufrieden hat meistens keine Ahnung. Die SSD enthält eine EFI System Partition. Den Rest füllt Btrfs aus. Kein Swap! Echtes RAM ist am schnellsten. Snapper läuft unauffällig im Hintergrund. Täglich guckt PackageKit nach Updates und installiert sie gegebenenfalls. SUSE ist auf einem guten Weg und profitiert selbst am meisten von openSUSE.
https://www.opensuse.org/
https://opensuse.github.io/openSUSE-docs-revamped-temp/
Das ist nicht Snapper, sondern Zypper unter der Haube. Und eine Swap-Partition dient eben zur Auslagerung von Daten, wenn der Arbeitsspeicher mal voll sein sollte. Passiert mir z. B. gerade im Unterricht mit einer virtuellen Linux-Installation pro Student. Ohne Swap-Partition wäre mein Computer (OpenSUSE Leap 15.3) da plötzlich blockiert.
„Das ist nicht Snapper, sondern Zypper unter der Haube.“ Auf meinen Rechnern sind beide aktiviert.
Ein systemd-Dienst aktualisiert Tumbleweed täglich: ExecStart=/usr/bin/zypper dist-upgrade –no-confirm https://doc.opensuse.org/documentation/leap/reference/html/book-reference/cha-sw-cl.html#sec-zypper
Ein weiterer systemd-Dienst löscht alte Snapshots: ExecStart=/usr/lib/snapper/systemd-helper –cleanup https://doc.opensuse.org/documentation/leap/reference/html/book-reference/cha-snapper.html
„Und eine Swap-Partition dient eben zur Auslagerung von Daten, wenn der Arbeitsspeicher mal voll sein sollte.“ Statt einer Swap Partition haben meine Rechner die doppelte Menge RAM. 32 GB RAM sind wesentlich angenehmer als 16 GB RAM und 16 GB Swap. Falls es eng wird hilft das Out Of Memory Management: https://www.kernel.org/doc/gorman/html/understand/understand016.html
Weil es für einen IT-Autor praktisch wäre, sollen die Massen es verwenden? Wer Linux für Verwandte und Bekannte (also die Masse) betreibt, ist froh, wenn er nur selten im Jahr Wartungsmaßnahmen vornehmen muss. Zumindest, wenn er nur begrenzt Zeit hat.
Mir fehlt die Nennung von Gentoo in dem Artikel. Gentoo aktualisiert sich meines Wissens kontinuierlich, nur etwas konservativer als arch. Insofern ist es auch ein rolling release. Leider ist für mich gentoo komplizierter zu installieren als arch. Das liegt unter anderem schon daran, dass es zwar eine Schritt-für-Schritt-Anleitung gibt, diese ist aber ziemlich lang und komplex, und noch dazu ist systemd darin nicht beschrieben. Daher kommt gentoo für mich leider nicht in Frage.