openSUSE Leap 42.1

Was Microsoft kann, kann openSUSE schon lange. Aber während Microsoft bei Windows nur einen bescheidenen Versionssprung von 8.1 auf 10 wagte, geht openSUSE gleich auf’s Ganze: Die Versionsnummer springt von 13.2 auf 42.1. Um den Neuanfang noch klarer zu machen, stellt man dem Namen auch gleich ‚Leap‘ voran. Ob Leap 42.1 für openSUSE der ersehnte Quantensprung wird, muss sich aber erst herausstellen.

Die Nummer 42 hat keine tiefere Bedeutung, sondern ist eine Anspielung auf das Buch Per Anhalter durch die Galaxis. In Zukunft soll die Versionsnummer aber die Verwandschaft mit der entsprechenden SUSE-Linux-Enterprise-Version (SLE) ausdrücken. Die aktuelle Version 42.1 basiert auf SLE 12.1. In ca. einem Jahr soll es openSUSE Leap 42.2 geben, wobei dann SLE 12.2 als Fundament dient etc.

Der Hybrid-Ansatz

Vom Versionsnummern-Trara abgesehen besteht die fundamentale Neuerung von openSUSE Leap darin, dass die Distribution nicht mehr wie frühere openSUSE-Versionen eigenständig ist, sondern dass Sie auf SLE basiert. Leap übernimmt damit das solide Enterprise-Fundament, was den openSUSE-Entwicklern eine Menge Zeit und Mühe spart. Gleichzeitig hebt sich openSUSE aber in einigen entscheidenden Punkten von SLE ab:

  • aktuelle Kernel-Version
  • aktuelles Grafiksystem
  • Unterstützung mehrerer Desktop-Systeme (KDE, Gnome, Xfce, LXDE)
  • aktueller Desktop-Stack (KDE, Gnome, LibreOffice, Gimp & Co.)

Die openSUSE-Entwickler sprechen deswegen von einem Hybrid-Ansatz, was die Sache eigentlich ganz gut trifft.

Versionsnummern

Der Hybrid-Ansatz wird bei den Versionsnummern deutlich: Während manche Komponenten aktuell oder beinahe aktuell sind (Kernel, xorg, Gnome, KDE), sind andere Versionsnummern deutlich älter als z.B. bei Fedora 23:

  • gcc: 4.8 versus 5.1
  • CUPS: 1.7 versus 2.1
  • Postfix 2.11 versus 3.0
  • etc.

Bei KDE, dem Default-Desktop von Leap, setzt openSUSE auf KDE Plasma 5.4 in Kombination mit dem KDE Framework 5.15 und den KDE Applications 15.08.

Basis           Desktop            Programmierung     Server
--------------  ------------------ --------------    --------------
Kernel     4.1  Gnome        3.16  bash       4.2    Apache     2.4
glibc     2.19  Firefox        41  gcc        4.8    CUPS       1.7
X-Server  1.17  Gimp          2.8  Java         8    MariaDB   10.0
GRUB      2.02  KDE Plasma    5.4  PHP        5.5    OpenSSH    6.6
Systemd    210  LibreOffice   5.0  Python 2.7/3.4    qemu/KVM   2.3
                Thunderbird    38                    Postfix   2.11
                                                     Samba      4.2
Der vom Autor leicht adaptierte KDE-Desktop von openSUSE Leap mit dem YaST-Kontrollzentrum
Der vom Autor leicht adaptierte KDE-Desktop von openSUSE Leap mit dem YaST-Kontrollzentrum

Installationsmedien

openSUSE bot traditionell verschiedene Installationsmedien an: Neben der Komplett-DVD mit dem Installationsprogramm und Paketen für alle Desktop-Systeme gab es auch installationsfähige Live-Systeme für KDE und Gnome — und alles sowohl in 32- als auch in 64-Bit-Versionen.

Leap hat hier radikal aufgeräumt: Zum einen gibt es Leap nur noch als 64-Bit-Distribution. (Fedora will das ab Version 24 ebenfalls machen.) Zum anderen gibt es keine Live-Systeme mehr.

Wer Leap installieren will, hat die Wahl zwischen dem Image der Komplett-DVD (ca. 4 GByte) oder dem vergleichsweise kleinen Network-Installer (ca. 100 MByte), der die zu installierenden Pakete aus dem Internet herunterlädt.

https://software.opensuse.org/421/en

Installation

Bei der Installation gibt es wenig Änderungen im Vergleich zu openSUSE 13.2. Als Default-Desktop ist KDE vorgesehen, Gnome, LXDE und Xfce sind mögliche Alternativen. Standardmäßig schlägt das Installationsprogramm btrfs für die Systempartition und xfs für die getrennte Home-Partition vor. Nur wenn der Platz es nicht zulässt, wird das Home-Verzeichnis in die Systempartition integriert.

Innerhalb des btrfs-Dateisystems werden unzählige Subvolumes angelegt, im Vergleich zu openSUSE 13.2 nun auch für MariaDB und qemu/KVM, lobenswerterweise auch gleich mit deaktivierten Copy-on-Write. Die vielen Subvolumes sind erforderlich, weil YaST bei administrativen Arbeiten automatisch Snapshots erzeugt. Das ermöglicht es später, administrative Schritte rückgängig zu machen, wobei die in den Subvolumes gespeicherten Daten (also z.B. MariaDB-Datenbanken) und das Home-Verzeichnis nicht angetastet werden.

Dieses Setup demonstriert den State-of-the-Art für btrfs, bringt aber eine enorme Komplexität mit sich. Meine Empfehlung für alle, die keine btrfs-Profis sind, lautet daher unverändert: Wählen sie lieber ext4 oder xfs als Dateisystem für die Systempartition. Das spart nicht nur Platz (mit dem btrfs recht verschwenderisch umgeht), sondern vereinfacht auch die Administration. Einzig auf die Undo-Funktion für administrative YaST-Vorgänge müssen Sie verzichten.

Der Vorschlag für die Partitionierung sieht ein btrfs-Dateisystem mit unzähligen Subvolumes vor
Der Vorschlag für die Partitionierung sieht ein btrfs-Dateisystem mit unzähligen Subvolumes vor
Mit wenigen Klicks können System- und Home-Partition als ext4-Dateisysteme eingerichtet werden
Mit wenigen Klicks können System- und Home-Partition als ext4-Dateisysteme eingerichtet werden
Zusammenfassung der Installationseinstellungen
Zusammenfassung der Installationseinstellungen

Nach der Installation

Nach der Installation bleibt die DVD als Paketquelle eingerichtet. Deswegen fragt Leap nun bei jeder Software-Installation nach der DVD bzw. dem USB-Stick mit dem Inhalt des DVD-Images. Sinnvoll ist das nur, wenn Sie weitere Pakete ohne Internet-Zugang installieren möchten — also wohl so gut wie nie. Deshalb sollten Sie im YaST-Modul Software Repositories die Paketquelle mit der URL cd://... deaktivieren oder löschen.

Desktop-Anwender können bei dieser Gelegenheit im gleichen Modul auch die Community-Paketquelle Packman aktivieren. Die brauchen Sie, damit Sie später Codecs zum Abspielen von Multimedia-Dateien installieren können. Am besten führen Sie nach der Aktivierung der Packman-Paketquelle in einem Terminalfenster zypper dup aus, um den ganzen Multimedia-Stack auf die Packman-Pakete umzustellen.

Je nach Grafikkarten können Sie auch Paketquellen zur Installation der proprietären NVIDIA- oder AMD-Grafiktreiber aktivieren. Eine weitere Paketquelle stellt bei Bedarf das Adobe-Flash-Plugin für Firefox zur Verfügung. Darauf können Sie aber oft verzichten, weil Sie dieses Plugin auch aus der Packman-Paketquelle beziehen können.

Auswahl der Community-Paketquellen im YaST-Modul 'Software Repositories'
Auswahl der Community-Paketquellen im YaST-Modul ‚Software Repositories‘

Wenn Sie bei der Installation nicht aufgepasst und die entsprechende Option bei der Zusammenfassung der Installationseinstellungen übersehen haben, wird der standardmäßig installierte SSH-Server nicht gestartet. Damit Sie Ihre Leap-Installation via SSH administrieren können, müssen Sie die folgenden Kommandos ausführen:

systemctl enable sshd
systemctl start sshd

Außerdem müssen Sie im YaST-Modul Firewall sicherstellen, dass der Dienst Secure Shell Server in der Liste der erlaubten Dienste aufgelistet wird. Ist das nicht der Fall, fügen Sie den Dienst hinzu.

Quantensprung oder letztes Aufbegehren?

Ist Leap ein Quantensprung für das openSUSE-Projekt oder ist es ein letztes Aufbegehren des freien SUSE-Zweigs angesichts der erdrückenden Konkurrenz durch Debian, Fedora, Ubuntu & Co.? Für ein endgültiges Urteil ist es sicherlich zu früh, und selbst eine persönliche (subjektive) Einschätzung fällt mir schwer. Der Ansatz von Leap ist pragmatisch, einfach und gut: Man verwendet angesichts kleiner Ressourcen den stabilen Unterbau von SLE und kombiniert diesen mit modernen Kernel-, Grafik- und Desktop-Komponenten. Gleichzeitig macht der verlängerte Update-Zeitraum Leap attraktiver.

Eine Frage bleibt aber (zumindest für mich) offen: Wer ist eigentlich die Zielgruppe von Leap? In Frage kommen:

  • Desktop-Anwender: Für diese ist Leap weniger experimentell und einfacher zu installieren als Fedora, moderner als Debian, näher an üblichen Linux-Konventionen und -Standards als Ubuntu. Wie gut die längerfristige Wartung funktioniert, muss sich aber erst zeigen. Mit der Präferenz für KDE sticht Leap aus der Masse hervor. Für KDE-Fans ist das ein Pluspunkt, aber ob dies auch für andere Linux-Einsteiger und -Umsteiger gilt, bin ich mir nicht sicher. Diese können sich immerhin damit trösten, dass SLE auf Gnome setzt und Leap somit auch das Gnome-Lager solide bedienen sollte. Einzig die btrfs-Default-Konfiguration erscheint mir für das Desktop-Segment denkbar unglücklich.

  • Server-Administratoren: Das herkömmliche openSUSE war für den Server-Einsatz wegen des nur 18-monatigen Wartungszeitraums uninteressant. Auch das Evergreen-Angebot (zuletzt für openSUSE 13.1) mit inoffiziellen Updates über einen längeren Zeitraum hat mich nicht überzeugt. Leap verspricht deutlich längere Einsatzzeiträume von zumindest mehreren Jahren. Ähnlich konkrete Zeitangaben wie bei Ubuntu LTS oder CentOS, meinen Favoriten für kostenlose Server-Distributionen, gibt es aber nicht (siehe https://en.opensuse.org/Lifetime). Überzeugende Argumente, die für Leap und gegen CentOS oder Ubuntu LTS sprechen, fehlen ebenfalls. Insofern wird Leap als Server-Distribution wohl am ehesten erfahrene SLE-Administratoren ansprechen, denen nun gewissermaßen eine kostenlose SLE-Variante zur Verfügung steht — vielleicht nicht so robust wie CentOS im Vergleich zu Red Hat, aber möglicherweise robust genug.

  • Entwickler: Für Entwickler, die Wert auf die gerade neuesten Versionen von Programmiersprachen, Compilern und Bibliotheken legen, war Fedora bisher die erste Wahl. Denkbare Alternativen sind Arch Linux, eventuell aktuelle Ubuntu-Versionen oder auch Tumbleweed aus dem SUSE-Lager. Leap kann dem nicht viel entgegenstellen, weil die für Entwickler relevanten Komponenten von SLE stammen, und somit zwar ausgereift, aber selten aktuell sind.

Wirklich überzeugend spricht Leap meiner Ansicht nach keine der drei Zielgruppen an. Persönlich hoffe ich dennoch, dass es Leap gelingt, sich längerfristig zu etablieren. Linux lebt von Wettstreit der Ideen, und (open)SUSE war da immer ein wichtiger Mitspieler.

Links

2 Gedanken zu „openSUSE Leap 42.1“

  1. Vielen Dank für den ausführlichen Artikel! Er beantwortet so ziemlich alle Fragen, die ich mir bezüglich einer Leap-Testinstallation gestellt hab. Einziger Wermutstropfen: der Wartungszeitraum hätte etwas länger ausfallen können (fünf statt drei Jahre z. B.) Auf einem Server würd ich’s nicht aufsetzen, aber für einen robuste und aktuelle Workstation scheint’s ganz gut geeignet zu sein. Tja, wäre ich kein eingefleischter Slackware-User…

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